: Alliiertes Mißtrauen
■ Diepgen fordert zur Ordnungswidrigkeit auf
Eine Landesregierung, die zu Falschaussagen bei der Volkszählung aufruft - mit einem solchen Verbündeten haben die Gegner der Volkszähler sicherlich nicht gerechnet. Mögen die jeweiligen Gründe auch ganz unterschiedlich sein, so führt es für die Datenerhebung zum gleichen Ergebnis. Wenn die amerikanischen Alliierten ihre Zivilbeschäftigten unter ausdrücklichem Hinweis auf eine Vereinbarung mit dem Senat anweisen, die Fragen zur Ausbildung und aktuellen Tätigkeit allein mit „Alliierte Streitkräfte“ zu beantworten, ist das nichts anderes als eine Aufforderung zu einer Falschaussage. Das aber ist eine Ordnungswidrigkeit, steht unter Strafe, wie die Volkszählungswerber nicht müde werden zu wiederholen. Rund zehntausend deutschen und ausländischen Berlinern wird von Eberhard Diepgen und den Alliierten der Bleistift aus der Hand genommen. Niemand hätte den Alliierten verwehren können, die Anwendung des Volkszählungsgesetzes für ihre Angestellten einzuschränken. Auch das Abgeordnetenhaus hätte bei der Übernahme des Volkszählungsgesetzes bestimmte Einschränkungen beschließen können. Doch das Credo der drei Berliner Altparteien, von der Rechtseinheit mit dem Bund kein Jota abweichen zu wollen, hat zu einer Situation geführt, die das Mißtrauen in die Daten–Geier nur noch weiter vertieft. Denn: wären die Daten so sicher, wie Ober–Zähler Zimmermann und seine von ihm beauftragten Werbeagenturen der Bevölkerung weißmachen wollen - welchen Grund hätten die Alliierten, in die bundesdeutsche Zählung zu intervenieren? Doch die Profis in der Welt der geheimen Datenbeschaffung wissen natürlich, was von derlei Beschwichtigungsformeln zu halten ist. Man muß den „Schutzmächten“ dankbar sein, daß sie zumindest in ihrer Anweisung an ihre „ortsansässigen Arbeitnehmer“ einen Hinweis auf eine entsprechende Vereinbarung mit dem Senat gegeben haben. Die Reaktionen deutscher Dienststellen nach Bekanntwerden dieser Information legen nahe, daß der Diepgensche Aufruf zur Ordnungswidrigkeit unter der Decke bleiben sollte. Die Zweifel am korrekten Umgang mit der Volkszählung 1987 dürften neue Nahrung bekommen haben. Christoph Albrecht
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