: Alles rollt
In Deutschland leben 6,6 Millionen Schwerbehinderte, davon sitzen nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft für Hilfsbedürftige circa eine Million im Rollstuhl. Viele sind von Geburt an behindert, anderen wurden nach Unfällen oder Krankheiten Gliedmaßen amputiert – oder sie sind Kriegsinvalide.
Es gibt unzählige verschiedene Rollstuhlmodelle, wobei man zwischen handbetriebenen und Elektrorollstühlen unterscheiden muss. Wie die Modelle variieren auch die Preise; während man für einen handbetriebenen Rollstuhl um die sechshundert Mark plus Mehrwertsteuer bezahlen muss, liegen die Preise für Elektrorollstühle wesentlich höher. Je nach Ausführung und Anbieter sind nach oben kaum Grenzen gesetzt. Ein Forscher der Universität Pennsylvania entwickelte 1998 einen Rollstuhl mit Roboterarmen, der über Treppen und andere Hindernisse klettern kann.
Erfunden wurde der Rollstuhl angeblich vor rund hundert Jahren in Deutschland, seitdem hat sich am Grundprinzip der handbetriebenen Rollstühle nicht viel geändert, aber die Materialien sind inzwischen andere, Steuerbarkeit und Sitzkomfort haben sich verbessert.
Auch wird der Rollstuhl heutzutage vielfach neu verwendet, fast jede Sportart kann man nun auch im Rollstuhl ausüben. Der Rollstuhlsport ist zudem nicht nur einfach „Sport“, sondern übernimmt auch wesentliche Funktionen für alle therapeutischen Maßnahmen. Er hilft den Betroffenen, Ängste abzubauen und sich besser in die Gesellschaft zu integrieren. Entstanden ist er in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. 1977 wurde der Deutsche Rollstuhl-Sportverband (DRS) gegründet; er ist für den Rollstuhlsport auf Bundesebene als Fachverband des Deutschen Behinderten-Sportverbandes zuständig.
In den Ländern der so genannten Dritten Welt sieht der Rollstuhl – er hat oft nur drei Räder – wie auch die Situation der Rollstuhlfahrer ganz anders aus. Der Bedarf an Rollstühlen ist dort groß, weil viele Menschen an Folgen der Kinderlähmung leiden, Opfer von Landminen wurden oder durch andere Ursachen körperlich behindert sind. Dieser Bedarf wird von den verschiedenen Entwickungshilfeprojekten jedoch kaum gedeckt, da es sich hier um karitative Hilfe handelt. Der Erfolg von Rollstuhlspendenaktionen aus den Industrieländern ist insofern fragwürdig, als es kaum Ersatzteile gibt, der Transport schwierig und zudem kostenaufwendig ist und man auch vor Ort dafür sorgen muss, dass die Rollstühle wirklich bei den Betroffenen ankommen.
In Togo beispielsweise kümmern sich deshalb meist die Kirchen oder Menschen, die in Hilfsprojekten arbeiten, als Privatpersonen um die Anschaffung von Rollstühlen, indem sie etwa im Freundeskreis um Spenden bitten. Ein von einem kleinem Betrieb in Togo selbst produzierter Rollstuhl kostet um die 350 Mark. Gebaut wird er aus alten Fahrradteilen.
Auch die Betroffenen versuchen, zumindest einen Teil der Kosten aufzubringen. Es ist jedoch nicht einfach, zu entscheiden, wer nun einen Rollstuhl bekommen soll und wer nicht, denn jemand, dessen finanzielle Lage nicht erlaubt, später auch Ersatzteile zu bezahlen, erhält keinen Rollstuhl. Eine soziale Härte, schließlich bedeutet der Rollstuhl oft gesellschaftliche Integration: Für manche eröffnet sich dadurch, dass sie mit ihm weite Wege, etwa vom Land in die Stadt, bewältigen können, die Möglichkeit des Schulbesuchs und damit eine wichtige Zukunftsperspektive.
MALISA ZORA ZOBEL
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