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Alles nur Panikmache?

Für die Pharmaindustrie ist die Aufregung um die Mikropillen nur eine „unnötige Panikmache“. Die Frauen seien ohne Grund dazu gedrängt worden, die umstrittenen Antibabypillen einfach abzusetzen. Auch nachdem drei Studien über die Nebenwirkungen bei gestagenhaltigen Mikropillen in den Fachmagazinen veröffentlich wurden, versucht die Pharmaindustrie die Risiken herunterzuspielen. Wurde anfänglich noch behauptet, die Ergebnisse, die für Gestagenpillen ein um das Zweieinhalbfache erhöhtes Risiko, an Thrombose zu erkranken, aufzeigten, seien nur vorläufig, wird jetzt argumentiert, die Ergebnisse seien verzerrt, weil viele Ärzte gerade gefährdeten Fauen die angeblich schonendere Mikropille verschrieben hätten.

Mitte April wird sich die Europäische Arzneimittelbehörde erneut mit den Pillen beschäftigen müssen. Und auch das Berliner Bundesamt für Arzneimittel wird dann erneut über die Zulassung der Pillen entscheiden müssen. Wie auch immer das Urteil lauten wird, ein Gutes hat die öffentliche Diskussion über die hormonellen Verhütungsmittel: Vielen der betroffenen Frauen ist noch einmal klargeworden, daß jede Einnahme von Hormonen eine Verschiebung der ausbalancierten Stoffhaushalts des Körpers mit sich bringt. Einigen Frauen ist durch die „Aufregung“ auch jetzt erst verständlich geworden, warum sie vor Jahren an einer Thrombose erkrankten. Wie Vera S. (der vollständige Name ist der Redaktion bekannt) aus Bremen, die 1991 zum ersten Mal mit der Mikropille Marvelon verhütete. Anfänglich klagte sie nur über leichte Kopfschmerzen, drei Monate später jedoch wurde sie mit einer lebensgefährlichen Thrombose in die Klinik eingeliefert. Noch heute leidet Vera S. an den Folgen: Sie ist zu 50 Prozent schwerbehindert.

Und auch den Männer dürfte nicht entgangen sein, was sie ihren Partnerinnen eigentlich zumuten, wenn sie die Verhütung allein ihnen überlassen. Der Griff zu Pille kann immer nur eine Abwägung sein zwischen Nutzen und Risiko. Dazu ist es aber auch unerläßlich, daß unabhängig von wirtschaftlichen Interessen alle medizinischen Fakten offen gelegt werden. wlf

Betroffene Frauen, die Interesse an einer Mitarbeit in einer Selbsthilfegruppe haben, können sich wenden an: Frauengesundheitszentrum, Elsflethstaße 29, 28219 Bremen, Tel.: 0421/3809747

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