: Alles nur Fassade
■ Bausenator Klemann erläßt eine Gestaltungssatzung für den Boulevard Unter den Linden: Vorgaben für Fassaden, Fenster und Farben. Konflikt mit Strieder absehbar
Konkurrenz belebt das Geschäft – selbst bei Senatoren. Nachdem Umweltsenator Peter Strieder (SPD) seinen Aktionsplan sauberes Berlin in den Medien hoch- und runtergebetet hat, legt nun Bausenator Jürgen Klemann (CDU) einen Aktionsplan propere Linden vor. Fürnehmstes Ziel des Stuckfreundes ist es, „Berlins berühmtestem Boulevard“ Unter den Linden wieder zu altem Glanz zu verhelfen. In der gestern unterzeichneten „Verordnung über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen, Werbeanlagen und Warenautomaten im Bereich der Straße Unter den Linden“ sind deshalb so unschöne Dinge wie „durchgehende horizontale Fensterbänder“ oder „verspiegelte Fensterflächen“ künftig untersagt.
In sechs Paragraphen regelt die Gestaltungssatzung, wie am Boulevard künftig gebaut werden soll. Neben der Einhaltung der Baufluchten und Traufhöhen ist unter anderem die plastische und vielfältige Gliederung der Fassade vorgesehen. Dabei sind laut Verordnung „unterschiedliche Gestaltungselemente wie Faschen, Gesimse und Balkone“ zu verwenden. In der Gesamtfassade, aufgeteilt in einen Sockelbereich, einen Mittelteil sowie eine als Attika oder mit einer Traufkante gebaute Abschlußzone, sei die Vertikale zu betonen. Weitere Vorschriften gibt es für die Farbgebung, die Dach- und Fenstergestaltung sowie für Werbeanlagen und Warenautomaten. Letztere sind künftig nur noch an der „Stätte der Leistung zuständig und haben sich in äußerer Form, Maßstäblichkeit, Anbringungsort, Werkstoff und Farbigkeit in die Fassade einzufügen“.
Der detailgenaue Vorschriftenkatalog kann aber anders als bei der Gestaltungssatzung am Pariser Platz nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Linden nicht etwa neu gebaut werden müssen, sondern bereits fertig gebaut dastehen. Konkret werden die Vorschriften deshalb – neben der noch unentschiedenen Frage der Bebauung des Platzes an der Komischen Oper – bei der weiteren Gestaltung der polnischen und ungarischen Botschaft an der Ecke Wilhelmstraße. Beide Länder wollen mit dem Umbau respektive Neubau ihrer Botschaften bereits im Spätherbst beginnen, bestätigte Klemann gestern. Es gebe außerdem Überlegungen, an der Stelle des heutigen Baukörpers drei Gebäude zu errichten, sagte Klemann. Eines der Gebäude solle dann kommerziell genutzt werden.
Mit den Plänen zur Umgestaltung der beiden Botschaften gerät Klemann freilich wieder in Konkurrenz zu seinem Kollegen Strieder. Als oberster Denkmalschützer der Stadt wacht Strieder nämlich über das Wohlergehen nicht nur der Einzeldenkmale, sondern auch der Denkmalensembles wie der Straße Unter den Linden. Während Bausenator Klemann sich gestern überzeugt davon zeigte, daß die polnische und die ungarische Botschaft als Denkmale aus dem besonderen Schutz „entlassen“ werden, konnte im Hause Strieder dazu niemand Stellung nehmen.
Während der Umbau der Straße samt einer Verbreiterung der Gehwege erst 1999 begonnen werden soll, drückt Klemann an anderer Stelle bereits aufs Gaspedal. Rechtzeitig zum 350. Geburtstag der Linden sollen noch in diesem Jahr die störenden Busspurschilder entfernt werden. Uwe Rada
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