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Alles neu macht die Polizei

■ Omnipotenter Leitungsstab soll dem Polizeipräsidenten beistehen sowie den Apparat innnovativ und leistungsorientiert machen Von Silke Mertins

Die Hamburger Polizei soll sich bald nicht mehr wiedererkennen können: Alle Arbeitsbereiche und die gesamte Polizeiführung sollen umstrukturiert werden. Erstmals stellte gestern der Leiter der Projektgruppe, Staatsrat Wolfgang Prill, behördenintern vor, wie die schöne neue Polizei aussehen soll. Kernstück ist die Einführung eines siebenköpfigen Leitungsstabes, der dem Polizeipräsidenten unterstellt werden soll.

Unter dem Stichwort „Innovatives Denken“ soll dieser Leitungsstab all jene Mißstände aus dem Polizeiapparat wegzaubern, die das Image der Freunde und Helfer so schwer angeschlagen haben: „Frühes Erkennen gesellschaftlicher Entwicklungen“, „Erhöhung der Entscheidungsfähigkeit“, „dienstzweigübergreifendes Problem- und Unternehmensverständnis“ und andere artige Ziele mehr. Ein Sozialwissenschaftler im Leitungsstab soll für gesellschaftlichen Durchblick sorgen, ein Betriebs- oder Volkswirt für eine schlanke und effiziente Polizei, ein Jurist aufpassen, daß Gesetzesvorhaben nicht in die Hose gehen und vier weitere MitarbeiterInnen Schutz-, Kriminal- und Wasserschutzpolizei sowie den Verwaltungsdienst im Griff haben.

Die gesamte Polizeiarbeit soll in Zukunft „projekt- und leitungsorientiert“ organisiert sein. „Die projektorientierte Arbeit lenkt damit zwangsläufig die Aufmerksamkeit von Fragen wie: Wer ist zuständig? oder wer ist schuld? auf die Frage: was ist zu tun?“, hofft die Projektgruppe.

Ein weiteres zentrales Element der Neuordnung wird eine „zentrale Beschwerdestelle“, die dem neuen omnipotenten Leitungsstab direkt unterstellt ist. Sie soll offenbar anstelle des von Statt Partei und GAL geforderten Polizeibeauftragten treten. Zwar gehöre so eine sachbearbeitende Tätigkeit nicht „im herkömmlichen Sinne“ in den Leitungsstab. Doch als „Frühwarnsystem“ sei diese organisatorische Nähe wichtig, damit „die nötige Einflußnahme“ auf höchster Ebene schnell erfolgen kann.

Vorbilder für das neue Leitungsmodell gibt es nicht. Ohne Erfahrungswerte anderswo wird mit dem neuen Leitungsstab zunächst experimentiert und eventuell „nachgesteuert“ werden müssen. Mit dem Stab könne „ein erster Schritt zu der Flexibilisierung gemacht werden, die es ermöglicht, den heutigen rasanten Änderungs- und Anpassungsbedarfen gerecht zu werden“, wirbt das Papier.

Werbung ist auch bitter nötig. „Wenn die handelnden Personen gleich bleiben, woher soll denn das innovative Denken kommen?“, kritisierte während der gestrigen Besprechung Hans-Joachim Dittrich, Leiter des jetzigen Planungs- und Führungsstabes. Und: „Verunsichern wir den Apparat nicht?“ Dittrich, Gewerkschaftsvertreter und Manfred Elsner, Leiter der Abteilung öffentliche Sicherheit, sind nur die Spitze des Kritiker-Eisberges. Das weiß auch Staatsrat Prill und mahnt in seinem Papier: Ein „solch komplexer Innovationsprozeß“ kommt nur in Gang, wenn „Statusblockaden in den Köpfen der Führungskräfte und Mitarbeiter“ überwunden werden.

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