Standbild: Alles klar mit Hagen?
■ "Einwurf", ORB, Donnerstag, 19.30Uhr
Der Vorspann ist so antiquiert, daß mir kein Fernsehzeitalter einfallen will, in dem sowas modern gewesen sein könnte. Kein von Dieter Bohlen komponierter Trailer, sondern nur ein schlichter Pfiff leitet Einwurf, die sogenannte „Sport-Illustrierte“ des ORB, ein. Der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg ist die kleinste Anstalt der ARD, und bescheiden gibt man sich nicht nur mit der dürftigen Dekoration des Studios. Entsprechend versucht der Sportchef des ORB, Hagen Boßdorf (Ex-taz), andere Schwerpunkte als die sonst üblichen zu setzen.
Erstklassiger Sport findet in Brandenburg selten statt, und wenn, dann in wenig publikumswirksamen Sportarten. Folglich steht der Hintergrundbericht hoch im Kurs, Boxen und Radfahren, Kindermotocross und Gehen sind die Themen dieses Mal. Fußball, Eishockey und Handball gibt es bestenfalls im Nachrichtenblock. Durch den ungünstigen Sendetermin am Donnerstag — das Wochenende ist selbst für Nachberichte zu weit entfernt — ist das einzige Thema mit aktuellem Bezug ein Vorbericht auf das Bundesligahalbfinale im Boxen zwischen Brandenburg und Schwerin. Der Film vom Kindermotocross beschäftigt sich ernsthaft mit der Frage, ab welchem Alter man sinnvoll mit dem Blödsinn anfangen sollte, stellt den Motorsport selbst aber nicht in Frage. Immerhin gibt es in Einwurf seit einigen Wochen eine regelmäßige Serie zur Olympiabewerbung Berlins, die durchaus auch kritische Worte verliert. Damit hebt sich der ORB positiv von den Fassbenders ab. Wer hat schon bisher angemahnt, daß die Bewerbungsunterlagen Berlins kaum ein Wort zur Nazi-Olympiade von 1936 am selben Ort verlieren? Boßdorfs erklärtes — nicht nur aus der Not geborenes — Ziel ist es, Einwurf zu einer zwar fundierten, aber frechen und unkonventionellen Sportsendung zu machen. Dazu sind die Berichte aber immer noch einen Tick zu hausbacken, und Sport bleibt eben Sport, und aus Amateurboxen wird durch den besten Reporter kein Eiskunstlaufen. Trotzdem ist Einwurf im Gegensatz zu den öffentlich- rechtlichen Heriberts und Jörgs, die sich willig der von den Privaten initiierten Tendenz zum Infotainment hingeben, die reine Erholung. Keine penetrante Selbstdarstellung, keine Sensation um jeden Preis.
Aber Pfeilwerfen ersetzt niemals nicht ein Torwandschießen. Alles klar, Hagen? Thomas Winkler
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