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Alle Werften an einem Strick

■ Mit Beschäftigungs– und Abwrackprogrammen gegen die Werftenkrise / Die IG Metall berät ihre Strategie

Aus Bremen Dietmar Barz

Unfreiwillig zeigte der Vorsitzende der IG Metall, Hans Mayr, gestern Galgenhumor: alle müßten gemeinsam an einem „Strick“ ziehen, um die anstehenden Massenentlassungen weiterer zehntausend Werftarbeiter abzuwenden. Aber auch das imposante Aufgebot von Teilnehmern aus Schleswig–Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen an der Arbeitskonferenz zur Werftenkrise, die die Metaller gestern in Bremen abhielten, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die Gewerkschaften, die Schiffbau–Industrie und die Parteipolitiker aller Fraktionen und aus den vier norddeutschen Küstenländern sich nur in einem Punkt einig sind: Die Bundesregierung soll zahlen. Die Wirtschaftssenatoren und -minister, die in der letzten Woche ihr grundsätzliches Einverständnis mit den Entlassungen signalisiert haben, fordern ebenso wie die Werftunternehmer von Bonn Maßnahmen zur „sozialen Abfederung“ der Folgen - 850 Millionen Mark in den nächsten fünf Jahren. Die Grünen wollen eine Milliarde. Das finanziell und politisch weitgehendste Programm hat die IG Metall vorgelegt: Mit acht Milliarden Mark für die Entwicklung der Küste soll die Region mit ihren bis zu 20 Prozent Arbeitslosen umstruktiert werden. Den Werften kommt darin eine zentrale Bedeutung zu, tragen sie doch mit jetzt noch 40.000 Arbeitsplätzen wesentlich dazu bei, daß Norddeutschland noch nicht zum Industriemuseum mit einzelnen Hochtechnolgie–Zonen geworden ist. „Diversifizierung“, also die Abkehr von der reinen Schiffsproduktion, sei das Gebot der Stunde, meinen die Gewerkschafter. Rauchgaswäsche, Müllverbrennungsanlagen oder Systeme für den Öffentlichen Personennahverkehr können auch vom Bremer Vulkan oder Blohm und Voss in Hamburg gebaut werden. Ausdrücklich bejahte der Gewerkschafts–Chef jedoch die Fortsetzung des Baus und des Exports von Kriegsschiffen, die derzeit etwa zwanzig bis dreißig Prozent der Werftenkapazität auslasten. Die Gründe für die mittlerweile elfjährige Krise sind vielfältig; nicht nur Subventionen für Werften in Japan, Südkorea und Taiwan haben dazu geführt, daß nur noch fünf Prozent der weltweiten Schiffsneubauten aus der Bundesrepublik kommen. Auch die dortigen Werften entlassen Tausende von Werftarbeitern, denn weltweit ist die Frachtmenge in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Dieser „Schiffsschwemme“ soll durch ein Maßnahmenbündel begegnet werden: Zunächst müsse dafür gesorgt werden, daß der Welthandel wieder zunehme, vor allem durch Beschäftigungsprogramme und die entsprechende Nachfrage nach Industrie– und Konsumgütern, die dadurch hervorgerufen werden soll. Hier, so Hans Mayr gestern, seien vor allem die bundesdeutsche und die japanische Regierung gefragt, und ein solches Beschäftigungsprogramm könne eben das Küstenhilfsprogramm sein. Weil es aber auch dann noch zuviele Schiffe gebe, forderte er ein großangelegtes Abwrack–Programm für ältere, weil umweltschädliche und unsichere Schiffe. Um die Industrie dazu zu zwingen, soll die Benutzung der europäischen Häfen von diesen erhöhten Standards abhängig gemacht werden. Solange aber in Fernost weiter subventioniert werde, sollten auch die Auftraggeber in der Bundesrepublik weiterhin kräftig staatliche Zuschüsse erhalten. Diese Forderung deckt sich mit den Beschlüssen der Landespolitiker aus der letzten Woche: Sie verlangen von Bonn die Erhöhung der Reederhilfe auf 20 Prozent der Neubaukosten und eine weitere Zinsverbilligung für die Neubaufinanzierung. Der Bremer Wirtschaftssenator Lenz lehnte aber für sich und seine drei norddeutschen Kollegen kategorisch ab, die Bundesländer zu Hauptauftraggebern der Werften und ihren neuen Produkten zu machen; das lasse die miserable Finanzsituation nicht zu.

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