: Alle Kinder in die Kita
Nach einer Debatte zum Kindeswohl sprechen sich Gröpelinger Ortsbeiräte für eine Kindergartenpflicht aus
Im Juli entdeckte die Polizei in Gröpelingen zwei verwahrloste Mädchen, die daraufhin in Obhut genommen wurden. Am Mittwoch stand deshalb das Thema „Kindeswohl“ auf der Tagesordnung des Ortsbeirats. „Knackvoll“, so ein Beiratsmitglied, war es im Helen-Kaisen-Nachbarschaftshaus, als Sozialzentrumsleiter Erwin Böhm die aktuelle Lage der Jugendhilfe erörterte.
Demnach ist die Zahl der Gröpelinger Familien, in denen das Jugendamt tätig werden musste, in der letzten Zeit auf rund 520 geklettert. In 32 dieser Familien gebe es schwerwiegende Probleme. Böhm kann auf 10 Vollzeitstellen zurückgreifen, um diese Aufgabe zu bewältigen. Zwar wurde der Stadtteil – wohl auch angesichts des „Kevin“-Falles – von der letzten Kürzungsrunde ausgenommen, dennoch, so befand der Beirat übereinstimmend, sei diese Ausstattung inakzeptabel. „Der Schlüssel muss eindeutig abgesenkt werden,“ sagt Beiratssprecher Dieter Adam (SPD). Das Gremium forderte als Sofortmaßnahme „10 plus X“ Stellen im Jugendamt.
Im Zuge der Diskussion um die beiden Mädchen kam auch ein anderer Vorschlag wieder auf den Tisch: Die Kindergartenpflicht ab dem dritten oder vierten Lebensjahr. „Wir würden das schon gern sehen,“ sagte Grünen-Fraktionssprecher Rolf Wrobelski. Nach Angaben von Wrobelski melden in Gröpelingen rund 15 Prozent der Eltern dreijähriger Kinder ihren Nachwuchs nicht in Kitas an – bremenweit seien dies nur fünf Prozent. „Es sind häufig Kinder aus Familien, in denen es Probleme gibt,“ sagt Wrobelski. Der frühzeitige Besuch einer Kita biete viele Vorteile: „Sozialverträgliches Verhalten wird viel früher erlernt, ebenso wie der Austausch mit den Eltern viel früher einsetzt.“ Wrobelskis Haltung findet im Beirat breite Zustimmung, so bei Raimund Gaebelein von der Linkspartei und auch Torsten Vagts von der CDU.
Bremens rot-grüne Koalition diskutiert derzeit, zumindest ab dem fünften Lebensjahr eine – beitragsfreie – Kindergartenpflicht einzuführen. Die Erfahrungen hiermit möchte Beiratssprecher Adam zunächst abwarten: „Wir sollten damit erstmal laufen lernen“, bevor möglicherweise das Pflichtalter weiter abgesenkt werde.
Für Margret Großer von der FDP ist dies zu spät: „Ab fünf – das heißt die Kinder sind nur ein Jahr in der Kita. Das ist zu kurz,“ sagt sie. „Es gibt Schüler, die kommen in die erste Klasse und können kein Deutsch. Die haben verloren – fürs Leben.“ Großer plädierte deshalb für mindestens zwei Jahre Kita-Pflicht. Christian Jakob