: Alle Achtung
„Ich habe Carl Diem als hochachtungswerten Professor kennengelernt“, sagt Harald Pieper, Sprecher des Deutschen Sportbundes (DSB). Ende der fünfziger Jahre sei das gewesen, an der Kölner Sporthochschule, deren Gründungsrektor Diem war.
Daß Carl Diem nicht so ungebrochen honorig war, wie der DSB- Sprecher ihn beschreibt, wurde erst in den letzten Jahren bekannt. Über die Verwicklungen des Sports in den Nationalsozialismus wurde bis dahin nur wenig diskutiert. Diem war Organisator der Nazi-Olympiade 1936 in Berlin. Bis vor fünf Jahren schmückte noch eine bronzene Gedenktafel Diems das Olympiastadion. Anfang 1992 montierten Gegner der Bewerbung Berlins um die Olympischen Spiele 2000 die Plakette kurzerhand ab und schmolzen sie ein.
Es blieb nicht bei dieser Protestaktion in Berlin.
Vor vier Jahren feierte die Sporthochschule Köln ihr 50jähriges Jubiläum. Der Allgemeine Studierendenausschuß (AStA) der Sportuni trat die Diskussion um Carl Diem los. Der AStA hatte im Vorfeld der Feierlichkeiten in einem Artikel die NS-Vergangenheit Diems angeprangert. Diem hatte kurz vor Kriegsende Hitlerjungen in den „Endkampf“ um das Berliner Olympiastadion geschickt. Motiviert hatte Diem die Kinder mit den Worten: „Wunderbar ist der Tod, wenn der edle Krieger für das Vaterland fällt...“ Es starben zweitausend Jugendliche.
Nach AStA und Grünen verurteilte auch der amtierende Rektor der Sporthochschule, Joachim Mester, Diems Rolle im Nationalsozialismus. Mester kritisierte Diems Rede als „menschenverachtend“ und „durch nichts zu rechtfertigen“. Bündnis 90/Die Grünen in Köln forderten die Umbenennung des Weges vor der Sporthochschule. Ein Carl-Diem- Weg sei nicht tragbar.
Konsequenzen hatte die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Diems nicht. Die Sporthochschule gab nach dem Eklat ein Gutachten über Diem in Auftrag. Der Potsdamer Sporthistoriker Hans-Joachim Teichler stellte fest, daß Diem kein Nazi, sondern in erster Linie Patriot war. Also trägt der Weg, an dem die Kölner Sporthochschule liegt, nach wie vor den Namen des NS-Sportfunktionärs. Und der DSB vergibt Jahr für Jahr einen Carl-Diem- Preis für herausragende junge Wissenschaftler. Begründung: Diems Verdienste um den Sport überwiegen seine NS-Vergangenheit.
Beim DSB hat man sich nicht zu einer Ächtung des Nazisport-Organisators durchringen können. Mit Kritik müsse man leben.
„Die Diskussion über Carl Diem ist schon deswegen nicht abgeschlossen, weil jede Generation das Thema wieder neu aufrollt“, sagt DSB-Sprecher Pieper. Er persönlich habe inzwischen ein „gespaltenes Verhältnis“ zu dem Organisator der Nazi-Olympiade.
Der AStA der Kölner Sportuni indes hat seinen eigenen Weg gefunden, mit dem ungeliebten Gründungsrektor umzugehen. Auf dem Briefkopf der Studierendenvertreter steht inzwischen „Caldin- Weg“. Die Post, sagt AStA-Vertreter Michael Noack, komme trotzdem an. uta
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