ABT. WIRTSCHAFTSWEISHEIT DER GENERÄLE: Algerisches Desaster
■ Der Putsch zerstört die ohnehin schwache Wirtschaft
Algier/Berlin (dpa/taz) — Nach dem Putsch steht Algerien jetzt vor der Zahlungsunfähigkeit. Die bilateralen Umschuldungen internationaler Bankdarlehen, die im Oktober 1991 begonnen wurden, sind nach der Machtübernahme der Militärjunta zunächst ausgesetzt. Demokratie ist zwar nicht unbedingt die Voraussetzung für ausländische Banken und potentielle Investoren, in Algerien weiter Geschäfte zu machen. Aber ein Wirtschaftsprogramm sollte der neue Staatschef Mohamed Boudiaf nach einem Monat aus Sicht der Banken schon vorweisen können.
Unternehmen wie Klöckner- Humboldt-Deutz, das in Algerien den Bau von Traktoren plante, warten also erst einmal ab, ebenso wie der Computerhersteller Samsung und der Spielzeugproduzent Mattel. Bereits Ende 1991 hatten Algeriens Unternehmensverbände vor einer „Zerstörung der Industrie“ durch die Liberalisierungspolitik von Ministerpräsident Sid Ahmed Ghozali gewarnt. Denn die nach sowjetischem Vorbild gebildeten Konzerne haben die verordnete Blitzumstellung auf die Marktwirtschaft nicht verkraftet. Praktisch alle arbeiten mit Verlust, der bei einigen höher ist als der Umsatz.
Die Kölner Bundesstelle für Außenhandelsinformation schätzt den Sanierungsbedarf auf unbezahlbare 370 Milliarden Dinar (25,7 Mrd. DM). Und trotz massiver Abwertungen des Dinars (seit 1989 um 63 Prozent) ist kein einziger Sektor außerhalb des Ölbereichs zu nennenswerten Exporten fähig.
Um die soziale Krise zu überwinden, will Boudiaf Wohnungen bauen, Arbeitsplätze schaffen und die Korruption bekämpfen — wie alle Regierungen seit der Unabhängigkeit vor ihm. Doch er hat erheblich weniger Spielraum als seine Vorgänger. Denn der Öl- und Gassektor, der 98 Prozent der Devisen einbringt, ist nicht mehr der Goldesel von ehedem. 1991 sanken die Einnahmen von 12,7 Milliarden auf 11,8 Milliarden Dollar — und davon wurden allein acht Milliarden (rd. 13 Mrd. DM) für den Schuldendienst gebraucht.
Zudem werden bis 1994 rund 70 Prozent der Auslandsschulden von 26,7 Milliarden Dollar fällig. Ghozali bot deshalb der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich an, seine einstigen Ölpfründe zum Teil zurückzukaufen — gegen Vorkasse auf künftige Öleinnahmen. Doch Experten warnen mit Hinweis auf die deprimierenden Erfahrungen Kongos und Angolas vor derartigen Finanzierungstricks. Zudem hat Algerien seine Einnahmenziele aus den Engagements fremder Ölkonzerne für 1992 von sieben Milliarden auf drei Milliarden Dollar zurückgeschraubt.
Am dringlichsten ist nach Expertenmeinung, daß die Junta die Zahlungsunfähigkeit vermeidet, indem sie die Banken von ihrer Kreditwürdigkeit überzeugt. dri
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