2000 Anschläge – die Gastkolumne (Extended Megamix): Alexandros und die Gurken der Brymier
■ Wie der Brymische Kultschlitten aus dem Sumpf gezogen wurde: ein Märchen von Igno Shamel
Alexandros war ein Mann mit knappem Zeitkontingent. Er wurde kaum 30. Schon früh hatte er durch Klarsicht Zielsicherheit und effiziente Methodik bemerkenswerte Erfolge aufzuweisen, insbesondere hinsichtlich seines enormen Immobilienbesitzes. Ein angeborener Reisedrang verbat ihm sich kaum je irgendwomit unnötig lang aufzuhalten.
Sein messerscharfes Urteilsvermögen bewies er einmal mehr, als er sich auf der Durchreise durch das Land der Brymier befand. Er sah sich vor ein uraltes Problem gestellt, welches ihm die Ältesten der Eingeborenen als unlösbar schilderten. Es stammte noch aus den Zeiten der altbrymischen Könige Hein Midas, des Längeren, und dessen Vater Tom Gordios, des Kaltschnäuzigen. Ihr Problem machte den tapferen Brymiern seither schwer zu schaffen: Im heiligen Kultsumpf, direkt vor der Feste Ratlos, lag völlig zerfahren und ramponiert der einst so schön glitzernde Kultschlitten Senfüku, jenes sagenhafte Gefährt, das den Träumen der Brymier jahrhundertelang Flügel verliehen und sie stets aufs neue glücklich gemacht hatte.
Welch trauriger Anblick nun bot sich dem Alexandros und seinen mitreisenden Gefährten: Senfüku war verbogen, verbeult, verdeichselt und komplett vertüdelt. Viele unfähige, unkündbare und unlustige Hilfszwerge und Oberhilfszwergreferatoren hatten unter den traurigen Blicken der Bevölkerung Brymiens und einiger Nettwichtel über die Jahre erfolglos an Senfüku herumgezogen und -gezerrt.
Doch alles war nur immer schlimmer geworden. Der einst prächtige Kultkarren, der einmal Brymiens ganzer Stolz gewesen war, kam nicht vor noch zurück. Viele Hilfszwerge und Hilfszwergreferatoren waren mittlerweile teils an ihrem Scheitern irre geworden und verblödet, auf jeden Fall aber schon lange nicht mehr Herr ihrer Sinne und Taten. Für das gemeine Kultkarrenwesen des tapferen Brymien war das natürlich eine wirkliche Katastrophe. Armes Brymien!
Nach kurzem Nachsinnen brachte Alexandros Bewegung in die Sache. Eingedenk des furchtbaren Zustands Senfükus kam ihm ein durchschlagender Einfall: Mit einem einzigen gezielten Hieb löste er die maßlos verknotete brymische Altvertüdelung an der Deichsel des Gefährts, und im Nu ward aus dem eben noch starren Senfüku eine jener sagenhaften neuen Gurken mit besserer Handhabung (GmbH).
Bevor er wieder seines Weges eilte, setzte Alexandros den jungen brymischen Gurkenführer Panoramos ein und riet ihm, zunächst einige der verschlissensten Oberzwerge zu den Rasenmähern und Buxbaumzupfern in Brymiens Vorgärten zu versetzen. Doch einige mutige Kultkarren-Nettwichtel, die immer unter den Oberhilfszwergreferatoren zu leiden gehabt hatten, solle Panoramos behalten und motivieren; er brauche sie bloß besser zu bezahlen, müsse sie aber kündbar machen. Und soviele Hilfswichtel wie bisher seien gar nicht vonnöten, denn die tolle neue Gurke mit besserer Handhabung lasse sich natürlich viel leichtgängiger fahren.
Und es kam, wie Alexandros gesagt hatte: Schon am ersten Tag wuchsen Brymiens Kultkarrenwichtel bei der Steuerung und Pflege ihres, in jene brandneue GmbH verwandelten, Senfükus über sich selbst hinaus. Sie bildeten sich (auch fürderhin) neugierig fort, machten sich kundig, übernahmen persönliche Verantwortung für das Kultkarren- und Kultgurkenwesen Brymiens.
So wurden sie von Panoramos für ihre guten Leistungen gelobt und belohnt und halfen den Brymiern mit, die schönsten Kultkarren- und Gurkenparaden zu inszenieren, die das Land je erlebt hatte – endlich wuchsen den Träumen der Brymier wieder Flügel, neue Verse wurden gedichtet, neue Lieder gesungen.
Der Ruf des Kultkarrenstandortes Brymien erschallte bis weit über die Landesgrenzen:
Brymien, o Land
der güld'nen Sonne/
Dein neuer Kultkarr'n
ist –ne Wucht
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