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Albanien entläßt letzte politische Gefangene

■ Aufnahme diplomatischer Beziehungen geplant

Tirana/Rom (dpa) — Die kommunistische Führung Albaniens hat nach eigenen Angaben die letzten politischen Gefangenen aus Strafanstalten und Umerziehungslagern des Landes entlassen und damit eine zentrale Forderung der Opposition erfüllt. In Rom wurde unterdessen bekannt, daß Albanien die Herstellung von diplomatischen Beziehungen mit den USA, Großbritannien, der Sowjetunion und dem Vatikan anstrebe.

Wie die amtliche Agentur 'ata‘ am Mittwoch berichtete, wurden alle noch verbliebenen politischen Häftlinge amnestiert. „Als Folge dieser Maßnahme befindet sich kein politischer Gefangener mehr in Gefängnissen oder Umerziehungslagern“, hieß es in der offiziellen Mitteilung. Eine Zahl der zuletzt noch aus politischen Gründen Inhaftierten wurde dagegen von offizieller Seite nicht genannt.

Inoffiziellen Berichten zufolge könnte es sich um bis zu 250 Personen gehandelt haben. Nach Einleitung der Reformen im zuvor streng- stalinistischen Albanien waren bis Jahresanfang 1991 bereits etwa 500 politische Gefangene freigelassen worden.

Für den 31. März sind in Albanien die ersten freien Wahlen angesetzt, die, wie der albanische Außenminister Mohamet Kapplani am Mittwoch bei einem Besuch in Rom sagte, mit der „größten Transparenz und Korrektheit“ stattfinden sollen. Wie der italienische Außenminister Gianni De Michaelis nach dem Treffen mit Kapplani erklärte, hat Tirana zugleich die Garantie gegeben, daß die Verteilung der von Italien erwarteten Hilfsgüter zur Verbesserung der katastrophalen Wirtschaftslage nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Oppositionsparteien vorgenommen wird.

Eine gemischte Kommission soll am Montag und Dienstag nächster Woche in Tirana zusammentreten, um über die Verteilung der Hilfsgüter im Wert von zehn Milliarden Lire (13 Millionen D-Mark) zu beschließen. Kapplani fliegt am Donnerstag in die USA weiter, um über die beabsichtigte Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Washington zu sprechen.

Die Situation der rund 17.000 nach Süditalien geflohenen Albaner hat sich am Mittwoch leicht entspannt. Im Lager bei Metaponto in der Basilikata, wo in den nächsten Tagen 3.000 Albaner aufgenommen werden sollen, trafen weitere 300 Flüchtlinge ein. Ein Sonderzug mit 650 Albanern wurde in Savona an der ligurischen Küste erwartet. In Brindisi soll sich die sanitäre Versorgung verbessert haben.

Die Nacht zum Mittwoch verbrachten aber immer noch etwa 10.000 Albaner unter völlig unzureichenden Bedingungen in den Schulen Brindisis. Diese Zahl soll in den nächsten Tagen auf 4.000 reduziert werden. Etwa 500 Albaner sind nach unbestätigten Berichten entschlossen, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Am Sonntag waren etwa 2.000 Flüchtlinge an Bord der „Tirana“ nach Albanien zurückgefahren.

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