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„Akuter Fieberanfall“ bei Daimler-Benz

■ Gewinneinbrüche und Stellenstreichungen bei Daimler / Sparen auch bei VW

Stuttgart/New York (dpa/AP/ taz) – Die Daimler-Benz AG wird bis zu 35.000 weitere Stellen streichen, gab Benz-Chef Edzard Reuter gestern bekannt. Das größte deutsche Industrieunternehmen mußte im ersten Halbjahr 1993 gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Gewinneinbruch in Höhe von 852 Millionen DM hinnehmen. Alle Geschäftsbereiche – Autotochter Mercedes, AEG und die Luft- und Raumfahrtfirma Dasa – machten Verluste, mit Ausnahme der Dienstleistungstochter Debis. Der Gesamtumsatz sank um 13 Prozent auf 41,6 Milliarden Mark. Auf dem deutschen Markt brach der Umsatz gar um 23 Prozent ein. Der größte deutsche Industriekonzern stehe derzeit in den Worten Reuters einen „akuten Fieberanfall“ durch. Der Konzernchef gab sich weiter felsenfest überzeugt, daß seine Strategie, zusätzlich zum Automobilbau neue Geschäftsfelder – von der Bahntechnik bis zur Raumfahrt – zu erschließen, der einzige Weg sei, an weltweiten Wachstumsmärkten zu partizipieren.

Reuter strebt nun vor allem eine konsequente Internationalisierung des Konzerns durch Allianzen und Kooperationen sowie den Ausbau ausländischer Produktionsstandorte an, etwa in den USA, Mexiko sowie Ost- und Südostasien. Um den Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten, „kann und darf es Tabus und heilige Kühe nicht geben“, sagte Reuter. Die Zeiten seien vorbei, wo eine Arbeitsstelle „beim Daimler“ eine Versicherung fürs ganze Leben war.

Innerhalb von drei Jahren wird Daimler-Benz im Inland 20 Prozent weniger Mitarbeiter beschäftigen. Ende 91 gab es im Inland 305.300 Daimler-Beschäftigte.

Am stärksten zur Ader gelassen wurde die Automobiltochter Mercedes-Benz: In den ersten sechs Monaten sank der Umsatz um 16 Prozent auf 29,1 Milliarden DM. Daimler-Benz geht am 5. Oktober als erstes deutsches Unternehmen an die New Yorker Börse. Die amerikanische Vertriebstochter von Mercedes-Benz hat über 30 Zeitungen und Zeitschriften in den USA angewiesen, künftig keine Anzeigen mehr in Ausgaben mit Negativschlagzeilen über das Unternehmen oder die konjunkturelle Krise in Deutschland zu plazieren. In den USA löste diese Beeinflussung der Presse heftige Reaktionen aus.

Volkswagen hatte erst kürzlich einen Konzernverlust von 1,6 Milliarden Mark gemeldet. Dies führte jetzt zu einer drastischen Einschränkung der Investitionen bei der tschechischen VW-Tochter Skoda: statt sieben nur noch vier Milliarden Mark. Das stieß den 17.000 Skoda-Arbeitern bitter auf. Skoda gehört zu den wenigen Konzernbereichen bei VW, die noch schwarze Zahlen schreiben.

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