Aktivistin über Leben im Dannenröder Wald: „Ohne Wasser hilft uns keine A 49“

Rund 100 BesetzerInnen blockieren den Autobahnbau in Nordhessen. Bald soll geräumt werden. Bewohnerin Joschik macht das Angst.

Portrait der Waldbewohnerin Joschik aus dem Dannenröder Wald

Waldbewohnerin Joschik aus dem Dannenröder Wald Foto: Anett Selle

Warum besetzt Ihr den Dannenröder Wald?

Joschik: Er ist ein gesunder Buchen-Eichen-Mischwald mit Bäumen, die teilweise sogar älter als 300 Jahre alt sind. Weil er so groß ist, macht der Wald sein eigenes Klima, 18 bis 20 Grad kühl. Es ist auch ein Trinkwasserschutzgebiet, das eine halbe Million Menschen mit Wasser versorgt. Einmal quer durch soll jetzt eine Autobahn gebaut werden. Genau auf dieser Strecke befinden sich die Baumhausdörfer. Nur da. Um unseren Einfluss auf den Wald so gering wie möglich zu halten und uns darauf zu konzentrieren, was der politische Grund für unsere Anwesenheit hier ist.

Die Waldbewohnerin nennt sich Joschik und sagt, sie sei Mitte 20.

Was hat dich dazu bewegt, dich der Besetzung gegen die A 49 anzuschließen?

Der Wald ist seit Ende September letzten Jahres besetzt. Ich habe schon vor längerer Zeit von dem Projekt erfahren und diesen Sommer überlegt, mal für eine Woche herzukommen. Als ich hier war, hab ich mich in den Wald verliebt. Weil er so schön ist. So lebendig, so grün. Ich dachte, es kann nicht angehen, dass in Zeiten von Dürrejahren, Klimakrise, überall auf der Welt brennen Wälder – dass jetzt hier ein Wald zerstört werden soll, der gesund und Wasserschutzgebiet ist.

Was für Menschen leben hier mit dir?

Seitdem ich hier bin, ist die Besetzung sehr gewachsen. Inzwischen gibt es sechs Dörfer, in denen etwa 100 Menschen leben. Die Menschen haben unterschiedliche Hintergründe. Zum Beispiel Fridays for Future. Dadurch, dass es FFF gibt, ist eine sehr junge Generation schon sehr politisiert. Einige haben ihre Sommerferien hier verbracht.

Was geht in dir vor, wenn du an eine Räumung denkst, die schon in einigen Wochen starten könnte?

Es macht mir Angst. Zu denken, dass dann so viele Menschen kommen, die bereit sind, Gewalt auszuüben. Gewalt an der Natur, Gewalt an uns. Gleichzeitig habe ich eine große Hoffnung, dass wir ein Zeichen setzen können. Dass es ein Skandal wird für die schwarz-grüne Landesregierung. Wenn ich daran denke, dass wir hier geräumt werden … Dann spüre ich auch Trauer. Weniger meinetwegen, sondern wegen dem, was mit diesem Wald passieren wird. Aber egal, was passiert: Wir machen weiter. Wir sind unaufhaltsam.

Bereitet ihr euch vor?

Ja, auf allen Ebenen. Wir gehen an die Öffentlichkeit. Wir informieren über das Thema. Wir bauen auch Plattformen, wir bauen Strukturen auf, um uns gegenseitig zu unterstützen. Es ist wichtig, dass niemand allein gelassen wird. Psychisch, rechtlich, wo du danach hingehst. Aktuell kommt die Polizei schon regelmäßig in den Wald, aber nicht in die Dörfer. Gerade haben wir uns hier mit Menschen getroffen, unter anderem von Ende Gelände, Campact und Fridays for Future – ich denke, ab September können wir darauf zählen, dass wir Unterstützung bekommen mit unterschiedlichen Aktionen. Ich weiß, es ist viel in Planung.

Wie ist das Verhältnis zu den Leuten aus der Gegend?

Wir bekommen so viel Unterstützung. Ich bin beeindruckt von diesen Menschen, die teilweise seit 40 Jahren gegen dieses absurde Projekt kämpfen. Wenn es Sturm gibt, kriege ich Nachrichten, „Hey, geht es euch gut?“ Teilweise sind wir auch auf sie angewiesen. Sie bringen uns Wasser in den Wald. Mit Essen können wir uns ganz gut selber versorgen, indem wir Lebensmittel retten, zum Beispiel aus Supermarkt-Tonnen. Wir haben die Erlaubnis, dass das in Ordnung ist. Teilweise haben wir auch Vereinbarungen mit Bauern, dass wir Kartoffeln ernten dürfen, die sonst übrig geblieben wären.

Aber es gibt auch Menschen hier, die die Autobahn wollen.

Die Bevölkerung wird systematisch mit Scheinlösungen und Fehlinformationen gefüttert. Bei Anfragen kann niemand versprechen, dass es zu einer Entlastung für die Bürger:innen an der Bundesstraße kommen wird. Erfahrungen aus ähnlichen Projekten haben gezeigt, dass es sogar zu mehr Verkehr kommt.

Der Wald ist groß: Was ist das Problem, ihn zu teilen?

Es zerstört ein Ökosystem. Der Wald, das sind Verbindungen zwischen den Pflanzen, den Bäumen, den Tieren – es ist ein System, das wir als Menschen gar nicht verstehen. Aus einer kühlen Atmosphäre und Ruhe wird Lärm und 40 Grad heißer Asphalt. Schon jetzt sterben die Bäume am Waldrand. Und die Rehe, die Wildschweine, die Vögel, die in bestimmten Bäumen ihre Nester bauen. All die Lebewesen – in einer Eiche wohnen bis zu 500 Arten.

Was fühlst du, wenn du an die Welt denkst, wenn du 50 bist?

Aus meiner Sicht stehen wir an einer Kreuzung. Gerade haben wir es noch in der Hand: Wollen wir eine Zukunft, in der wir gut leben können? Oder rennen wir einfach ins Desaster? Mit der Natur lässt sich nicht verhandeln. Wenn wir jetzt anfangen, unsere Zukunft zu gestalten: Dann sehe ich die Möglichkeit für eine bessere Welt.

Wie könnte das gehen?

In kleinen Schritten. Wir müssen entscheiden, was wir brauchen. Und dazu gehört auf jeden Fall sauberes Trinkwasser. Ohne Wasser kommen wir nicht weit. Da hilft auch keine Autobahn. Wenn ich sehe, wie in Indien ganze Millionenstädte kein Wasser mehr haben. Wie die Menschen verzweifeln und Angst kriegen. Dann ist es mehr als arrogant, hier ein solches Vorkommen in Gefahr zu bringen. Mein aktuelles Ziel ist ein sehr hochgestecktes: Ich will diesen Wald retten.

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