Aktivist in russischer Gefangenschaft: Gefangen und verunglimpft
Der ukrainische Aktivist Maxim Butkewytsch kam Ende Juni in russische Gefangenschaft. Seine Eltern warten noch immer auf Lebenszeichen von ihm.
„Er ist ein überzeugter Pazifist und sie nennen ihn Faschist. Sein ganzes Leben lang hat er oppositionellen Russ*innen geholfen und sie stempeln ihn als russophob ab. Er ist Antifaschist und Menschenrechtsaktivist, aber sie bezeichnen ihn als Nazi. Das alles ist komplett absurd“, sagt Oleksandr Butkewytsch und ringt um Fassung. Der 70-jährige Ukrainer und seine Frau Ewgenia – sie wollen reden über ihren einzigen Sohn Maxim.
Unter Menschenrechtler*innen in der Ukraine, in Russland und Belarus dürfte kaum jemand den Kiewer Aktivisten Maxim Butkewytsch nicht kennen. In den vergangenen 20 Jahren kämpfte er aktiv gegen Diskriminierung jedweder Art, als überzeugter Linker, Anarchist und konsequenter Antimilitarist. Die Zahl der Proteste, Solidaritäts- und Unterstützungsaktionen in den vergangenen zwei Jahrzehnten in der Ukraine sind nicht mehr zu zählen.
Dann kam der 24. Februar 2022, der Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Trotz seiner Biografie meldete sich Butkewytsch noch am selben Tag freiwillig beim Rekrutierungsamt. Viele, die seine pazifistischen Überzeugungen kannten, waren schockiert. Butkewytsch erläuterte seine Entscheidung: „Ich werde so lange in der Armee sein, wie es notwendig ist, um das Wertvollste zu schützen.“
In privaten Gesprächen sagte Butkewytsch seinen Freunden, dass in diesem Krieg eine rechtsstaatliche Ukraine einem staatlichen Terrorregime gegenüberstünde. Wenn Russland den Krieg gewinne, würden alle Rechte und Freiheiten, die in der Ukraine existierten und für die er so hart gekämpft habe, zerstört werden.
Letztes Lebenszeichen am 18. Juni
Im Rang eines Leutnants der Reserve wurde Butkewytsch sofort zum Kommandeur einer Gruppe von 20 Personen ernannt. Am 18. Juni schrieb er seinen Eltern von der Grenze zu den Regionen Lugansk und Donezk. Mutter Ewgenia sagt, dies sei das letzte Mal gewesen, dass sie zu ihrem Sohn Kontakt gehabt habe. Nach sechs Tagen erfuhr sie aus den Nachrichten, dass er von der russischen Armee gefangen genommen worden sei. Die 70-jährige geborene Russin mit blau-gelber Halskette knetet ihre Hände, sie ist den Tränen nahe.
Russische Propagandamedien veröffentlichten ein Video von Butkewytschs Verhör, in dem seine Erschöpfung sichtbar ist. „Wenn wir unsere Waffen nicht niedergelegt hätten, wären wir kampflos gestorben“, sagt Butkewytsch im Video. Außer diesem Videos haben die Eltern seit zwei Monaten keine Informationen. Sie wissen nichts über den Zustand ihres Sohnes, wo er sich befindet und was mit ihm passiert ist. Sie wissen nur, dass die russische Propaganda ihn als Gewaltverbrecher darstellt.
Die Eltern haben sich entschieden, mit den Medien zu sprechen. So wollen sie verhindern, dass Propaganda den Informationskrieg gewinnt. „Wir haben Angst, dass sie ihn zu einer Art heiligem Opfer machen werden“, sagt Maxims Vater Oleksandr. Er fürchtet, dass sein Sohn nicht als Kriegsgefangener, sondern als Extremist oder Terrorist vor Gericht gestellt und deshalb nicht ausgetauscht werde. „Wenn das passiert, wird er zu 10 bis 20 Jahren verurteilt“, sagt Oleksandr Butkewytsch.
„Vor allem fordern wir die Weltgemeinschaft, auch deutsche Politiker, die noch Kontakte zu den Russen haben, auf, Russland zur Einhaltung der Genfer Konvention in Bezug auf ukrainische Kriegsgefangene zu zwingen“, sagt Butkewytschs Mutter Ewgenia mit Tränen in den Augen. „Keine Informationen zu bekommen, das ist auch eine Form der Folter. Das muss aufhören! Wir fordern von Russland eine menschliche Haltung gegenüber den Gefangenen. Schließlich ist unser Maxim nicht der Einzige, der in dieser Situation ist. Sein Fall ist nur ein Beispiel von Tausenden“, sagt sie.
Aus dem Russischen Barbara Oertel
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