: Aktive Sterbeverlängerung
betr.: „Keine Pflicht zum Leben“, taz vom 8. 6. 04
Endlich wird die Diskussion vom Kopf auf die Füße gestellt: „Ärztliche Maßnahmen, die die Selbstbestimmung eines Kranken missachten, sind ihrerseits sogar als Körperverletzung strafbar. Dies gilt auch für lebenserhaltende Therapien. Der Kranke hat ein Lebensrecht, aber keine Lebenspflicht.“ Zu ergänzen wäre, dass über die Patientenverfügung hinausgehende Behandlungen möglicherweise auch andere Straftatbestände erfüllen könnten, wenn sie wie erwünschte Leistungen abgerechnet werden.
Die feinsinnige Definition der passiven Sterbehilfe ist von den kirchlichen und ärztlichen Funktionären, von historischen, theologischen und wirtschaftlichen Interessen verfärbt. Sie missachtet das Faktum, dass es sich tatsächlich um aktive Sterbeverlängerung handelt. Sie missachtet das Faktum, dass die so noch am Leben Gehaltenen ohne die Medizinalmechanik längst hinübergegangen wären.
Wer verlangt, die Verfasser von global formulierten Patientenverfügungen hätten sich mit der Thematik nicht richtig auseinander gesetzt, oder Patientenverfügungen seien nur dann als verbindlich zu akzeptieren, wenn sich ihre Urheber zuvor ausführlich beraten ließen, baut künstliche Schwellen. Das angebliche Problem, das sich aus dem medizinischen Fortschritt ergibt, müsste gelöst werden, das ist ja gerade die Ursache, die Patientenverfügungen notwendig macht: Wenn ich an die Schwelle zum Übergang komme, dann soll mir ein Mediziner nicht erklären, was er alles noch machen kann. Nein! Was ich alles lassen will, wo definiere ich für mich diese Schwelle, das will ich ihm mit meiner Patientenverfügung zeigen. Und daran hat er sich zu halten wie jeder meiner Auftragnehmer. Und damit diese selbst bestimmte und selbstverantwortliche Entscheidung nicht durch ärztliches Standesrecht oder pflegerische Willkür umgangen werden kann, dafür brauchen wir endlich gesetzliche Regelungen zur Patientenverfügung und zur „Sterbehilfe“.
JANS BONTE, Vors. des „Alter in Würde e. V“, Kiel