: Akademie der Künste unerwartet kopflos
Adolf Muschg tritt überraschend als Präsident der Akademie zurück und bezichtigt das altehrwürdige Haus indirekt der Provinzialität. Der neue Interimschef Matthias Flügge teilt zwar die Kritik, nicht aber Muschgs Vorgehen
Adolf Muschg ist nicht mehr Präsident der Akademie der Künste. Gestern gab der 71-jährige Schweizer Schriftsteller überraschen seinen sofortigen Rücktritt bekannt. Bis zur Wahl eines Nachfolgers im April soll nun der bisherige Vizepräsident der Akademie Matthias Flügge die Geschäfte führen.
Noch überraschender als der Rücktritt Muschgs ist dessen Begründung. Die starke Stellung der sechs Kunstsektionen in der Akademie nennt er „Sektionspartikularismus“ und den Senat, der als Leitungsgremium das natürliche Gegengewicht zu den Sektionen bilden sollte, ein Gremium „aus Interessensvertretern der Sektionen, die ihre Projekte mehr oder minder kollegial aushandeln“. Muschgs Fazit: Eine Kulturinstitution nicht nur mit hauptstädtischem, sondern nationalem Anspruch lasse sich so nicht führen – schon gar nicht an einem so repräsentativen Ort wie am Pariser Platz.
Auslöser für die Vorwürfe, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, war eine Sitzung des Senats am vergangenen Freitag, auf der über die neue Satzung der Akademie beraten wurde. Diese Satzung war nötig geworden, nachdem der Bund die Trägerschaft für die Akademie 2004 von Berlin und Brandenburg übernommen hatte. Im Streit um die Satzung, so Muschg, hätten sich diejenigen durchgesetzt, die „die bisherigen Ungleichgewichte und organisatorischen Defizite festschreiben und die behauptete Autarkie der Sektionen noch zementieren“ wollten.
Das sieht der bisherige Vizepräsident nicht so. Zwar teile er die Kritik an den strukturellen Problemen, sagte Matthias Flügge der taz. „Gleichzeitig bedient Herr Muschg aber auch alle Vorurteile gegenüber der Akademie.“ Laut Flügge sei im Entwurf der neuen Satzung immerhin vorgesehen, dass neue Mitglieder nicht nur ausschließlich über die einzelnen Sektionen gewählt werden können und der Senat als Leitungsgremium nicht nur aus den Leitern der Sektionen bestehen müsse. Entsprechend „überrascht“ zeigte sich Flügge auch vom sofortigen Rücktritt Adolf Muschgs.
Bedauert wurde der Rücktritt gestern von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU). Er bezeichnete Adolf Muschg als einen „Garant für einen reibungslosen Übergang dieser traditionsreichen Institution in die Trägerschaft des Bundes“.
Der kulturpolitische Sprecher der Berliner CDU, Uwe Lehmann-Brauns, sagte, die Rücktrittsgründe Muschgs seien nachvollziehbar: „In der Tat fehlt der Akademie der Künste die öffentliche Bedeutung.“ Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) wollte den Vorgang unter Hinweis auf die Trägerschaft des Bundes nicht kommentieren.
Wer die Akademie künftig führen soll, ist unklar. Bis zur nächsten Mitgliederversammlung am 28. April aber soll ein neuer Präsident gefunden sein, versichert Interimschef Matthias Flügge. Einfach dürfte dies mit den Vorwürfen, die seit gestern im Raum stehen, allerdings nicht werden. UWE RADA