: Aids-„Todesbomben“ vor Gericht
Bayerns Innenstaatssekretär Beckstein will Wiederholung seiner umstrittenen Interviewpassage durch die Deutsche Aids-Hilfe verhindern / Er hatte HIV-Infizierte als „Todesbomben“ bezeichnet ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
„Im Prinzip hat jeder Bürger die Verpflichtung, darauf aufzupassen, daß er nicht selber zu einer Todesbombe für andere wird.“ Ob der Gauweiler-Nachfolger im bayerischen Innenministerium, Dr. Günther Beckstein, mit dieser Äußerung HIV-Positive als „Todesbomben“ bezeichnet hat, beschäftigt seit Monaten die Gerichte.
In einem Interview mit dem Nürnberger Privatsender „Radio N1“ vom 28. Februar vergangenen Jahres hatte Beckstein Zwangsmaßnahmen gegen sogenannte Uneinsichtige gerechtfertigt, denn man könne niemanden „entsprechend herumleben“ und damit andere Leute „völlig ins Blaue hinein“ gefährden lassen. Die Deutsche Aids-Hilfe reagierte auf das Interview mit einer Strafanzeige gegen den bayerischen Staatssekretär wegen Volksverhetzung.
Staatsanwalt Breitinger stellte das Verfahren ein. Beckstein habe nur zu einem „verantwortungsbewußten Sexualverhalten“ aufgerufen, interpretierte er zugunsten des Innenstaatssekretärs.
Beckstein seinerseits konterte mit einer einstweiligen Verfügung. Er habe niemals HIV-Positive als „Todesbomben“ bezeichnet, sondern nur die uneinsichtigen Aidsinfizierten. Die Aids-Hilfe solle die gegenteilige Behauptung unterlassen. Die erste Runde vor Gericht ging klar an Beckstein. Für die zweite Instanz engagierte die Deutsche Aids-Hilfe gestern den renommierten Mainzer Sprachwissenschaftler Professor Werner Veith als Sachverständigen. Das Ergebnis seiner textsemantischen Analyse des fraglichen Interviewausschnittes war eindeutig. Beckstein habe mit dem Begriff „Todesbomben“ alle Aidsinfizierten gemeint und den Kreis der „Todesbomben“ erst danach damit eingeschränkt, daß Uneinsichtige mit Zwangsmaßnahmen zu rechnen hätten. Richter Winter, vor allem bemüht, seinen Terminplan einzuhalten, gab zu verstehen, daß wohl alle Verfahrensbeteiligten der deutschen Sprache mächtig seien.
Ob dies zutrifft, wird sich am 7. April zeigen. Dann will er sein Urteil verkünden.
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