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Äußere Verhältnisse ändern - Revolution im Inneren“

■ Seit einigen Monaten macht die „Humanistische Partei“ von sich reden / AStA der FU: „Die HP ist eine Sekte mit faschistoider Struktur“ / Nach eigenen Angaben hat die HP weltweit 40.000 Mitglieder in 40 Ländern / Die Sekte finanziert sich aus Mitgliederkolleekten / Die Zentrale der HP ist in Argentinien

„Wir machen eine Umfrage für ein Kommunikationszentrum in Schöneberg. Machst du mit?“ An einem Infostand der „Humanistischen Partei“ (HP) am U-Bahnhof Kleistpark sprechen drei junge Frauen gleichaltrige Passanten an. „Bist Du bereit, Dich aktiv für ein Kommunikationszentrum in Schöneberg einzusetzen?“, lautet die letzte Frage des Umfragezettels. Wer „Ja“ ankreuzt und seine Telefonnummer hinterläßt, erhält einen zweites Blatt, auf dem sich die HP als sympathische Alternativpartei präsentiert: „Gewaltfreie Aktionen“, „gegen wirtschaftliche Ausbeutung“, „Betriebe in die Hände der Arbeiter und Angestellten“ usw. Alles ganz prima. Aber hinter der HP verbirgt sich eine „Sekte mit faschistoider Struktur“. So jedenfalls bewertet der AStA der Freien Universität die Partei, nachdem sich dort zwei Aussteiger gemeldet haben, um über ihre Erlebnisse während einiger Wochen bei der HP zu berichten.

Einer der beiden, Dieter, hatte bei einer Umfrage zugesagt, „das Wohnungsproblem aktiv anzuprangern“ und bei dessen Überwindung zu helfen. Nach einer Diskussion am Stand wurde er „zu einem Kaffee“ in ein Cafe an der Hauptstraße eingeladen. „Von Wohnungsproblemen war nicht mehr die Rede“, meint Dieter. „Mir wurde etwas über die Ziele der Partei erzählt. Ansonsten unterhielten wir uns nur einfach so.“ Die Adressen wurden ausgetauscht. Gleich am nächsten Tag läutete das Telefon. In der nächsten Zeit verabredete sich Dieter vor allem mit einigen Italienern aus der Gruppe, weil ihn romanische Sprachen interessieren. „Ich habe gleich nach einigen Tagen mitgeholfen, ein Treffen der HP zu organisieren. Ich habe Plakate gemacht, Flugblätter verteilt usw. Ich habe da mal meine eigene Trägheit überwunden und fand das schon mal ganz gut so.“

Die HP hat nach eigenen Angaben weltweit 40.000 Mitglieder in 40 Ländern. Pfarrer Thomas Gandow, Sektenbeauftragter der evangelischen Kirche in Berlin, schätzt, daß die HP in der Bundesrepublik „einige hundert“ Aktivisten zählt. Im Februar dieses Jahres schickte eine Gruppe aus Florenz die Deutsche Elisabeth K., die dort Gemälderestauration studiert hatte, nach Berlin. Sie mietete eine Wohnung in der Hermannstraße in Neukölln und einige ItalienerInnen folgten, um hier eine Gruppe aufzubauen. Über eine gemeinsame Bekannte lernte sie Peter kennen. Peter meint heute: „Die HPler versuchen, die Leute über ihre Gefühle zu kriegen, indem sie persönliche, oft intime Beziehungen anknüpfen. Dabei suchen sie sich Leute mit Problemen aus.“ Er ist der Ansicht, daß ihn Elisabeth wegen seiner Behinderung „in eine Beziehung verwickelt hat“. HPler würden sich in Berlin auch oft an ehemalige DDR-Bürgern wenden, die sich im Westen alleine fühlen.

Wer Kontakt zur HP hat, wird schnell zu einer „Begegnung“ eingeladen. Dort beantworten dann etwa zehn Sympathisanten Fragen der Sekte wie „Wo hast du in deinem Leben Gewalt erfahren?“ „Sie suchen einen persönlichen Ansatzpunkt, wollen wissen, wo die Probleme liegen, an denen sie dich packen können“, sagt Dieter. Die Leiter haben bei den „Begegnungen“ auch Neuigkeiten parat: Die Partei sei nur ein Vehikel, um „die Gemeinschaft“ voranzubringen. Während die Mitglieder in der Partei um politische, äußere Erfolge kämpften, müßten sie in der „Gemeinschaft“ an sich selbst arbeiten.

Ein Blick in das interne Buch „Normen und Zeremoniell der Gemeinschaft“ zeigt, warum die Sekte die HP vorschaltet und Neue nicht sogleich mit der „Gemeinschaft“ konfrontiert: „Die Mitglieder fühlen sich verantwortlich für die fehlende Orientierung derer, die sie umgeben, und deshalb betrachten sie sich als Führer, die fähig sind, ihrer unmittelbaren Umgebung eine Orientierung zu geben.“ Die Sekte ist streng hierarchisch gegliedert und wird von einem „Ersten Magisterium“ geleitet.

„Da es die schönen Zustände, für die die HP kämpft, noch nicht gibt, akzeptieren die Mitglieder solange Führer- und Gehorsamsprinzip“, kommentiert Friedrich-Wilhelm Haack, bayerischer Sektenbeauftragter der evangelischen Kirche, die Organisationsstruktur. Wer an Seminaren teilnimmt und viele neue Mitglieder wirbt, steigt in der Hierarchie auf. Zweimal im Jahr ist „Kollekte“. Ein „halber durchschnittlicher Monatslohn“ bleibt zur Hälfte bei der Gemeinschaft vor Ort, die andere wandert zur Sektenzentrale nach Argentinien. Die einfachen Mitglieder haben keine Ahnung, was dort mit dem gesammelten Geld gemacht wird.

Nach einem zweiten „Begegnungs„-Wochenende steigen Dieter und Peter aus. Peter: „Die persönlichen Fragen an uns gingen bis in den sexuellen Bereich. In Rollenspielen wurden wir ausgequetscht. Es kommt ihnen nicht darauf an, dir zu helfen, sondern dich auszuquetschen.“ Seit ihrem Ausstieg erhalten Dieter und Peter Anrufe, in denen sie an die netten Freundschaften von früher erinnert werden. „Die HP scheint in Berlin noch etwas vorzuhaben, wenn sie Leute aus Italien schickt“, meint Thomas Gandow. Mittlerweile wurden HP-Stände auch am Bayerischen Platz und an der FU-Mensa am Kiebitzweg gesehen. Trotzdem war bei der zuständigen Senatsstelle noch niemand über die Sekte informiert.

Die drei HP-Frauen an dem Stand am Kleistpark lachen, wenn man sie auf das AStA-Flugblatt anspricht. „In Argentinien sagen sie, wir sind vom CIA, hier sagen sie, wir sind faschistoid. Die anderen Parteien haben nur Angst vor uns, weil wir neu sind“, sagt eine. „Aber wir sind anders als die anderen Parteien. Die wollen nur die äußeren Verhältnisse ändern. Wir wollen auch eine Revolution im Innern der Menschen. Wenn du Interesse hast, gib uns doch deine Telefonnummer.“ Sie strahlt mich an.

Bauer

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