piwik no script img

Ärztepriester orakelt

„Steffi künftig unschlagbar“ / Schweigepflicht kennt er nicht  ■  PRESS-SCHLAG

Endlich kann sich das deutsche Tennispublikum entspannt im Sessel zurücklehnen: der medizinisch-wissenschaftliche Beweis ist erbracht, daß die Weltranglisten-Erste auch in Zukunft nicht zu schlagen ist - jedenfalls nicht von ihrer Hauptkonkurrentin Gabriela Sabatini.

Der Verkünder dieses Heils ist Prof. Josef Keul (Uni-Klinik Freiburg); einst unterrichtete er die Öffentlichkeit über den ernährungsphysiologischen Wert eines Süßwarenartikels, der „mobil macht und verbrauchte Energie sofort zurückbringt“, und enthüllte damit das Geheimnis ewiger Fitneß.

Zu seinem Orakelspruch über die Tenniszukunft kam der Ärztepriester durch die schon im alten Rom übliche Eingeweidenschau zweier Opfertiere: Steffi Graf und Gabriela Sabatini unterzogen sich seiner medizinisch-seherischen Analyse, und siehe da: Gabrielas Herz ist um 30 Prozent kleiner als Steffis, Blutmenge und Sauerstoff -Aufnahmekapazität ebenfalls, auch in der Laufbandgeschwindigkeit unterliegt die Argentinierin der Konkurrentin.

Schlagtechnik und psychische Verfassung, nach den Worten des medizinischen Betreuers der Ruder-Nationalmannschaft Dr. Hartmann wichtige Faktoren im Leistungssport, kann der hellsichtige Professor da ruhig außer acht lassen.

Doch der alten Tradition in der Wahrsagerei muß auch ein kleines Opfer gebracht werden: in diesem Falle ist es die ärztliche Schweigepflicht, die auf dem Opferaltar niedergemetzelt wird. Ihrer sei er entbunden, so spricht Prof. Keul und verbessert dann schnell, nein, ihr unterliege er erst gar nicht, da ja niemandem aus seinem Geplauder ein Nachteil erwachse.

Der Justitiar der Bundesärztekammer, Rechtsanwalt Dr. Schirmer, verrät, daß „einzig für die Öffentlichkeit lebensnotwendige Untersuchungsergebnisse, z.B. Seuchen, preisgegeben werden dürfen“. Daher gebührt dem redseligen Professor das Verdienst, als einziger die Laktatwerte der Spielerinnen als lebensnotwendig erkannt und damit die Öffentlichkeit vor dem sicheren Untergang bewahrt zu haben.

Fortan darf man auf Steffis großes Herz vertrauen, das vermutlich dem regelmäßigen Verzehr des süßen Mobilmachers zu verdanken ist.

Daniela Hutsch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen