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Archiv-Artikel

„Ach, was waren wir wild“

betr.: Beilage zum Tunixkongress 1978, taz vom 25. 1. 08

die beilage zum tunix kongress war – wenngleich in teilen sehr lesenswert – eine verpasste chance. statt die möglichkeit zu nutzen, nach den politischen implikationen von tunix zu suchen, und die geschichte der alternativbewegung selbstkritisch zu betrachten, kommen die autorInnen nicht weg vom romantisierten „ach, was waren wir wild“-blick, in ein museum, dessen exponate sie selber sind.

Matthias Bröckers hat recht, wenn er schreibt, aus tunix sei viel gutes hervorgegangen. aber: die spontis und die alternativbewegung sind auch die politischen vorfahren der autonomen bewegung, die sich in weiten teilen von peter glotz’ modell der „zwei kulturen“ abgegrenzt hat. nach dem modell der integration von gegenkulturen, wurde die alternativbewegung als eine art „soziallaboratorium“ gesehen, von der der gesellschaftliche mainstream lernen sollte. viele hatten genau an dieser vereinnahmungstaktik scharfe kritik.

sätze wie „bio hat nichts mehr mit linken fantasien zu tun“ von Jan Michael Ihl sind ärgerlich und ausgemachter blödsinn. noch immer werden selbstverwaltete betriebe gegründet, andere gibt es seit jahren. viele von den kollektivistInnen setzen sich nach wie vor mit dem spagat zwischen linker politik und kapitalistischer wirklichkeit auseinander oder schaffen eine infrastruktur, die linke politik erst und noch immer ermöglicht.

all das habe ich vermisst in der immerhin achtseitigen beilage. stattdessen wird die hitparade von 1978 abgedruckt und ein entpolitisiertes und kulturkuscheliges bild einer linken gezeichnet, das nur die hälfte der geschichte erzählt. es kommen die zu wort, die es „zu etwas gebracht“ haben. diejenigen, die an einer grundsätzlichen systemopponenten haltung festgehalten haben und diejenigen, die heute (noch immer) in bewegung sind, fehlen. JÖRG MEYER, Berlin