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Abschied von NDR-Tatort-KommissarDas Ende des Oberlehrers

Am Sonntagabend spielt Robert Atzorn ein letztes Mal im Hamburger Tatort. Das lässt sich verschmerzen, denn es ging oft moralisierend und harmlos zu.

Wenn an diesem Sonntag der letzte Hamburger "Tatort" mit Robert Atzorn läuft, wird an der Elbe ein eher gemütlicher Wahlkampf zu Ende gegangen sein. Welch ironische Fügung!

War der stahlgraue Ermittlerdarsteller doch 2001 genau zu jenem Zeitpunkt angetreten, als es zum spektakulären Machtwechsel kam und die CDU-Koalition mit dem Rechtspopulisten Ronald Schill ein Klima der Repression schürte. Härter und urbaner wollte damals auch der Hamburger "Tatort" daherkommen - und wurde stattdessen doch nur traniger und selbstgefälliger.

Dabei produzierte das Bürgermeisterdoppel Beust/Schill ja quasi vor der Haustür des zuständigen NDR Skandale in Reihe. Die Autoren hätten sich die Hände reiben müssen über so viel krimitauglichen Stoff. Doch ach!, der Filmschnitt wurde zwar rasanter, der Bezug zum aktuellen Hamburg aber lau. Klar gabs Folgen, in denen einigermaßen klug auf die Landespolitik verwiesen wurde: Im "Tatort: Investigativ" auf die reale Verknüpfung von organisiertem Verbrechen und altehrwürdigem hanseatischen Kaufmannstum, im "Tatort: Schattenspiele" auf den Strafvollzug, den Justizsenator Roger "Die lächelnde Guillotine" Kusch immer inhumaner gestaltete, bevor er schließlich aus seinem Amt entfernt wurde.

Doch insgesamt verzichtete der NDR auf Anspielungen auf den Politbetrieb an der Elbe. Und wenn man den einen oder anderen Aufreger behandelte, dann so unkonkret, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlen musste: Atzorn versuchte im Ledermantel den harten Hund zu geben - und blieb stets ein unverbindlich moralisierender Oberlehrer.

So verhält es sich auch heute bei der Abschiedsvorstellung, wo Casstorff den etwas schlichteren Kollegen Holicek (Tilo Prückner) zur Seite nimmt und ihn über die Elektroschrottentsorgung in die Dritte Welt belehrt. Was als Thriller über Müllgeschäfte, Umweltverschmutzung und die Kehrseite des Hafenbooms angelegt ist (Regie: Thomas Bohn), wird am Ende zu einem unverfänglichen Plädoyer für Fairtrade-Produkte.

Bleibt zu hoffen, dass es mit dieser Dampfhammer-Didaktik vorbei ist, wenn Ende 2008 Mehmet Kurtulus als erster türkischer "Tatort"-Kommissar übernimmt. Vielleicht wird Hamburg dann endlich als brachial boomende Weltstadt behandelt, hinter deren Glitzerfassade ziemlich unübersichtliche ethnische, soziale und ökonomische Konflikte toben. Eine ideale Gastrolle für Atzorn, den ewigen Dr. Specht, hätten wir da auch schon im Sinn: Als Musterpauker, der in Anbetracht der dubiosen Hamburger Schulpolitik ausnahmsweise mal an den eigenen Ansprüchen scheitert.

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1 Kommentar

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  • HR
    Horst Reich-Quistorp

    Sehr geehrter Herr Buss,

    so einen plakativen Veriss hat der Schauspieler Robert Atzorn nicht verdient. Ihre Argumente sind (programm)-politische und betreffen mehr Regie, Drehbuch, Redaktion und Programmdirektion als den Darsteller. Trotzdem Ihren Ärger über den "ewigen Oberlehrer Dr. Specht" in dieser Zeitung loszulassen und ihn haftbar zu machen, ist menschlich daneben. Fachlich: Sie müssen mehr "Butter bei die Fische" bringen und weniger Plakat kleben oder auch mal "Klappe halten". Ich bin ärgerlich darüber, daß Sie einen feinen Menschen und nichtbluffenden Schauspieler öffentlich herabsetzen. Das ist nicht Ihr Job...