Abschalten von Kohlekraftwerken: Versagen von Politik und Industrie

Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der CO2-Preis machen auch junge Kohlekraftwerke unrentabel. Die Konzerne haben zu lange auf sie gesetzt.

Ein Radlader und ein Bagger arbeiten im Kohlelager des Kohlekraftwerks Moorburg

Vattenfall wird sein Hamburger Kohlekraftwerk Moorburg im nächsten Jahr stilllegen Foto: dpa

Es ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie Politik und Wirtschaft den Wandel in der Energiepolitik unterschätzt haben: Als am 29. Oktober 2008 der Grundstein für das neue Steinkohlekraftwerk Westfalen im nordrhein-westfälischen Hamm gelegt wurde, bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel neue Kohlekraftwerke als „wesentlichen Eckpfeiler der Energiepolitik“ und äußerte die Erwartung, dass sich diese „Investition in die Zukunft“ über Jahrzehnte bezahlt machen würde.

Tatsächlich wurde einer der zwei geplanten Blöcke des Kraftwerks nie fertiggestellt. Und der zweite, der 2014 nach langer Verzögerung ans Netz ging, wird im nächsten Jahr nach nur 6 Jahren Betriebszeit wieder stillgelegt. Für den Betreiber RWE dürfte es sich um eine der größten Fehlinvestitionen der Geschichte gehandelt haben. Ähnliches gilt für den Energiekonzern Vattenfall, der sein heftig umstrittenes Hamburger Kohlekraftwerk Moorburg ebenfalls im nächsten Jahr stilllegen wird. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der gestiegene CO2-Preis – zwei Entwicklungen, an die die Betreiber offenbar lange nicht geglaubt haben – machen Kohlekraftwerke schlicht unwirtschaftlich.

Viel Entschädigung bekommen die Konzerne fürs Abschalten nicht: Bei der ersten Auktion wurden so viele Kohlekraftwerke zur Stilllegung angeboten, dass dafür nur ein Drittel der Summe gezahlt werden muss, als vom Gesetz her möglich gewesen wäre. Mitleid ist dafür aber nicht angebracht, denn an Warnungen hat es seinerzeit nicht gefehlt. Angesichts des offenbar großen Verlangens, die Verlustbringer so schnell wie möglich loszuwerden, stellt sich vielmehr die Frage, warum dafür überhaupt Entschädigungen fließen.

Vor allem aber ist zu hoffen, dass sich dies Versagen von Politik und Industrie nicht wiederholt. Etwa in der Automobilbranche, in der viele Akteure trotz massiver Warnungen am Verbrennungsmotor festhalten, teilse mit offensiver Unterstützung aus der Politik. Spätestens jetzt sollte klar sein: Wer die Klimakrise und den von ihr ausgehenden Veränderungsdruck ignoriert, verliert.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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