: Abs–Modell: Ein Weg aus der Schuldenkrise
■ Studie des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) plädiert für Vergleich der Schuldnerländer und sorgt für politischen Wirbel / Kapitalkonformer Lösungsweg
Von Gabriela Simon
„Die Zeit für einen konzeptionellen Durchbruch im Schuldenmanagement ist reif.“ Thomas Kampffmeyer vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE), dem entwicklungspolitischen Braintrust der Bundesregierung, glaubt, ihn gefunden zu haben. Uwe Holtz, Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit der SPD, glaubt, daß dieses Konzept „den Weg für eine dauerhafte Entschärfung der Verschuldungsbombe zeigt“ (siehe Interview). Und die Bundesregierung glaubte, die von Kampffmeyer angefertigte Studie über „Die Verschuldungskrise der Entwicklungsländer“ in der Schublade verschwinden lassen zu müssen. Erst am vergangenen Freitag, nachdem der Konflikt um die Studie für einigen öffentlichen Wirbel gesorgt hatte, und nicht nur die Presse, sondern auch ein guter Teil der Bundestagsabgeordneten mit Kopien versorgt waren, gaben die Bonner Vertreter im Kuratorium des DIE ihren Widerstand gegen die Veröffentlichung auf. Gründe für den Widerstand vor allem des Finanzministeriums gegen die Veröffentlichung der Studie gibt es genug. Der Autor formuliert nicht nur eine herbe Kritik an der auch von der Bundesregierung getragenen Praxis, die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerländer mit immer neuen Krediten künstlich aufrechtzuerhalten; an der Illusion, daß die in einem gigantischen Schuldenberg von über einer Billion Dollar versinkenden Entwicklungsländer aus der Überschuldung „herauswach sen“ könnten. Besonders unangenehm dürfte für die Unternehmerfreunde in Bonn die Tatsache sein, daß ausgerechnet Herrmann Josef Abs, ehemaliger Chef der Deutschen Bank, als Kronzeuge für die Forderung nach einer Schuldenstreichung zitiert wird. Hat Großbankier Abs tatsächlich den Schlüssel zur Lösung der Schuldenkrise geliefert? Abs hat in zwei Fällen Regelungen für einen weitgehenden Schuldenerlaß erarbeitet. Einmal 1953 für die Vor– und Nachkriegsschulden der BRD (“Londoner Abkommen“). Und das zweite Mal 1970 für Indonesien. In beiden Fällen waren politische Gründe für die großzügige Behandlung der Schuldner ausschlaggebend. Die BRD sollte im Rahmen der US–amerikanischen Containmentpolitik wiederaufge baut werden. Und in Indonesien ging es 1970 darum, das antikommunistische Regime Suhartos zu stabilisieren. In beiden Fällen setzte Abs eine Regelung durch, die die Zahlungsverpflichtungen an die Leistungsfähigkeit der verschuldeten Länder anpaßte. Kampffmeyer will dieses „Abs–Modell“ verallgemeinern und auf die heutige Situation anwenden. Sein Grundgedanke: Die Schuldnerländer sollten demselben Verfahren unterworfen werden, das Kapitalisten untereinander üblicherweise praktizieren. Bei Zahlungsunfähigkeit kommt es entweder zum Konkurs oder zum Vergleich. Da ein Konkurs für ganze Länder nicht in Frage kommt (weil hier „immer ein erhaltenswürdiges Basispotential vorhanden ist“, wie Kampffme yer lapidar bemerkt), muß die Lösung auf dem Vergleichswege gesucht werden. Die Gläubiger müssen dabei ihre Forderungen soweit reduzieren, daß das wirtschaftliche Überleben des Schuldners nicht gefährdet ist, sie also - ähnlich wie in den beiden Abs–Regelungen - in Einklang mit der langfristigen Leistungsfähigkeit des Schuldners bringen. Für die Banken hätte eine solche Regelung den Vorteil, daß ihre Forderungen zwar weniger aber dafür sicher werden, und nicht ständig neues Geld für die Bedienung der „notleidenden“ Kredite nachgeschossen werden muß. Die Banken könnten also auf diesem Wege ihre Bilanzen konsolidieren. Auf seiten der Schuldnerländer sieht die Bilanz allerdings mehr als fragwürdig aus. Zwar sollen die Schulden auf ein Niveau reduziert werden, das die „Chancen für eine wirtschaftliche Gesundung“ der verschuldeten Entwicklungsländer wiederherstellt. Aber wer bestimmt die langfristige „Leistungsfähigkeit“ im Hinblick auf die Schuldenbedienung, wer bestimmt den „zumutbaren Leistungsbilanzüberschuß“, das zumutbare Ausmaß an Konsumverzicht? Ziel des Abs–Modells ist „die weitere Bedienung einer möglichst hohen Quote notleidend gewordener Forderungen“. Maßstab für die Höhe des Schuldenerlasses sind demnach nicht die Entwicklungsbedürfnisse der verschuldeten Länder und ihrer Bevölkerung, sondern die Bilanzinteressen der Gläubigerbanken. „Bei der Bemessung der Schuldenerleichterung gilt es, eine optimale Balance zwischen notwendiger Entlastung und künftigen Schuldendienstzahlungen zu finden, die die Wiederherstellung ausreichender Wachstumsspielräume mit der disziplinierenden Wirkung spürbarer (!) Zahlungsverpflichtungen verknüpft.“ Eine „Erziehungsdimension“, so Kampffmeyer, müsse die Schuldenstreichung haben. Deshalb soll auch die Beaufsichtigung der Wirtschaftspolitik (hier vornehm „monitoring“ genannt) fortgesetzt werden. Da erübrigt es sich fast, zu erwähnen, daß Kampffmeyer ein Schuldnerkartell, das die Vorherrschaft der Gläubigerländer (und damit auch ihre Erziehungsberechtigung) ernsthaft in Frage stellen könnte, kategorisch ablehnt, da es „zu einer Verhärtung der Fronten“ führen könnte. Einen Weg aus der Schuldenkrise bietet das „Abs–Modell“ zweifellos, denn zahlungsunfähige Schuldner würde es dann nicht mehr geben. Die Belastung der Schuldnerländer würde auch spürbar und dauerhaft verringert werden. Und die Zeitbombe, die das internationale Finanzsystem bedroht, wäre entschärft. Ein Weg aus der Abhängigkeit der Dritten Welt aber wäre das nicht. Die Banken würden weiterhin, nach Maßgabe ihrer Gewinninteressen Elend und Hunger zuteilen können. Ein Land wie Brasilien beispielsweise wäre in Sinne der Absschen Methode eines der „leistungsfähigsten“ Schuldnerländer, obwohl dort ein großer Teil der Bevölkerung hungert, müßte also zwar weniger, aber weiterhin zahlen. Die Bewältigung der Schuldenkrise über einen Vergleich bewegt sich, wie Kampffmeyer selbst betont, „in sehr viel höherem Maße im Rahmen (kapital–) marktpolitischer Logik als das derzeitige Krisenmanagement“. Verschuldete Länder würden „wie andere Kreditnehmer auch behandelt“ werden. Gibt es also einen kapital– konformen Ausweg aus der Schuldenkrise? Mit dem aktuellen Trend in den US–Banken, sich durch die Aufstockung der Re Kampffmeyer. Vielleicht werden die Betroffenen in den Schuldnerländern da auch noch ein Wörtchen mitreden wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen