: Abrufbare Emotionen
betr.: „Geburtsgesetz wird auf Juni verschoben“, taz vom 15. 5. 02
Als Adoptierte spürt man einen Hauch von Erleichterung: Es gibt sie, die nachdenklichen Köpfe, die den in nur wenigen Monaten zusammengestrickten „Gesetzenwurf zur Regelung anonymer Geburten“ ablehnen. Dabei handele es sich aber „nur um einige Prominente“, wird die Grünen-Abgeordnete Schewe-Gerigk zitiert. Die Herde der Abnicker hat sich demnach einlulleln lassen von dem Argument, ein anonym gerettetes Leben sei einem toten oder in der Mülltonne abgelegten Säugling vorzuziehen. Ein Bild, das auf leicht abrufbare Emotionen zielt, die Wirklichkeit allerdings dreist ignoriert.
Denn die Frau, die ihr Neugeborenes aussetzt oder gar tötet, handelt in Panik, also „kopflos“ – die anonyme Geburt aber setzt eine bewusst getroffene Willensentscheidung voraus. Welchen Grund mag es geben, diese willentliche Handlung durch ein Gesetz zu adeln? Welche Lobby soll mit legalen Findelkindern bedient werden? Jeder Mensch hat das (hierzulande sogar verfassungsmäßig verankerte!) Recht auf Kenntnis seiner Abstammung. Ihm dies zu verweigern, darf nicht erlaubt werden!
HANNA R. DELIUS, Hamburg
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