piwik no script img

Abmagerungskur für UdSSR-Militär

■ Zivildienst und Verkürzung der Wehrpflicht von Verteidigungsminister Jasow vorgeschlagen

Moskau (afp) - Der sowjetische Militärhaushalt soll 1990 kräftig abspecken: 8,2 Prozent weniger als im Vorjahr sind veranschlagt. Das sind 70,9 Milliarden Rubel, umgerechnet 123 Milliarden Mark. Auch die militärische Produktion soll bis Jahresende um 19,5 Prozent heruntergefahren werden. Diese Zahlen nannte der sowjetische Verteidigungsminister Dmitrij Jasow in einem am Sonntag veröffentlichten Artikel der Armeezeitung 'Krasnaja Swesda‘, in dem er ausführlich die geplanten Reformen beim Militär erläuterte. Vorgesehen ist vor allem die Einführung eines Zivildienstes und die Verringerung der Wehrdienstzeit. Bisher müssen die sowjetischen Wehrpflichtigen zwei Jahre Dienst ableisten, bei der Marine sogar drei Jahre. Nach den Vorstellungen des Verteidigungsministers soll nun der Wehrdienst auf 18 Monate bzw. in der Marine auf zwei Jahre reduziert werden. Ein weiterer Vorschlag sieht eine Wahlmöglichkeit für Marinesoldaten vor. Sie sollen zwischen zwei Jahren normalen Dienstes und einem „Vertrag“ über drei Jahre wählen können, der mit einem besonders hohen Sold vergütet wird. Diese neue Regelung bezeichnete Jasow als „Experiment“.

Der Politbürokandidat schätzt die Dauer der Umstrukturierung auf ungefähr neun bis zehn Jahre. Er betonte, daß die finanzielle Belastung des Staates durch die Streitkräfte reduziert werden müsse, ohne daß dadurch die Verteidigungsfähigkeit der Armee gemindert werde. Auch müsse die „Qualität“ innerhalb der Armee weiterentwickelt werden. Die Einrichtung von eigenen Armeen der einzelnen Sowjetrepubliken, wie sie von den kaukasischen und baltischen Republiken gefordert wird, lehnt der Verteidigungsminister ab. Dies würde „in der aktuellen Situation“, in der sich die Nationalitätenkonflikte verschärften, „extrem negative Folgen“ haben. Jasow fordert, daß die Rote Armee nur gegen äußere Bedrohungen auf Beschluß des Kongresses der Volksdeputierten, durch den Obersten Sowjet oder in gesetzlich genau geregelten Fällen zum Einsatz kommen soll.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen