: Ablenkungsmanöver
■ betr.: "Schäuble und Stasi für Verdunklung", taz vom 28.3.90
betr.: „Schäuble und Stasi für Verdunklung“, taz vom 28.3.90
Die Frage nach der Offenlegung der Stasi-Akten ist richtig, sie ist notwendig und zutiefst demokratisch. Aber sie kommt zu spät. Diese Frage darf auch nicht außerhalb des gesamtpolitischen Zusammenhanges behandelt werden. Genau dies ist aber im Augenblick der Fall. Der berechtigte Anspruch der BürgerInnenbewegung im Bündnis 90 wird von rechtskonservativer Seite mißbraucht, erstens um Ablenkungsmanöver zu veranstalten, zweitens um den Destabilisierungsprozeß in der DDR voranzutreiben und drittens um unzulässige Vergleiche mit dem Faschismus zu verankern.
Die Debatte um die Stasi-Vergangenheit dient dazu, die Hauptauseinandersetzung weg von den zentralen Punkten zu führen, die da sind die Wirtschaftsanpassung mit folgender arbeitsrechtlicher und sozialer Unsicherheit sowie Währungsdruck und drohender Verschuldung und Abhängigkeit der Menschen in der DDR nach polnischem Muster.
Zunächst hilft diese Frage jedoch nicht primär der demokratischen Aufklärung undemokratischer und machttaktischer Staatsführung, sondern - unter augenblicklichen Verhältnissen - der Destabilisierung der DDR als eigenständiger Staat mit gewählter Vertretung. (...) Der Wunsch nach einer handlungsunfähigen DDR-Regierung ist auch nach der Wahl und trotz ihres Ausgangs für die Regierungskoalition in Bonn nach wie vor zentral; schafft sie doch die Voraussetzung eines wesentlich größeren Handlungsspielraums zur Einflußnahme für Wirtschaft und Politik aus dem Westen.
Nicht zuletzt ist der scheinheilige Ruf Schäubles nach einer „Generalamnestie“ ein geschickter Schachzug, sich und seine Partei erstens als Kraft darzustellen, die die Macht hat, zu vergeben und zu vergessen, und zweitens durch den gesamtpolitischen Zusammenhang, in dem die Rechtskonservativen stehen, bei den Linken den Verdacht zu schüren, hier solle eine Vertuschungskampagne nach bewährtem Muster des alliierten Nachkriegsdeutschland initiiert werden.
Die Restlinke der DDR spielt mit, ohne Schläger und ohne die Spielregeln zu kennen. Der implizierte Vergleich der Stasi mit SA und SS ist jedoch in keinster Weise haltbar und politisch zulässig. Das faschistische System hat die Welt in einen Krieg gestürzt, es hat Millionen von Menschen auf grausamste Weise ermordet, es hat einer ganzen Generation die Demokratie aberzogen und ein zutiefst undemokratisches System kapitalistischer HERRschaft etabliert, welches bis heute im Westen andauert.
SHB-Vorstand c/o AStA FH Köln
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