Interview: „Ablenktechnik“
■ Reinhard Behrens, Dt. Lehrerverband
taz: Eine Woche weniger Ferien: Sind sie begeistert?
Reinhard Behrens: Nein. Die Kürzung bedeutet für Schüler einen Verlust von elf Stunden pro Jahr.
Was wäre daran schlimm?
Im Vergleich zu Bayern haben Hamburger Schüler bereits ein ganzes Schuljahr weniger Unterricht, wenn man die Stundentafeln vergleicht. Zweitens stört mich, daß diese Sache mit einem „Anti-Lehrer-Effekt“ verkauft wird. Wir brauchen eine ernste Diskussion und nicht diese kleinschrittige, gegen die Lehrer gerichtete Ablenktechnik, die Frau Raab fährt. Wegen steigender Schülerzahlen müssen wir ab 1995 jedes Jahr 300 Stellen und 200 Räume zusätzlich haben. Wer dies nicht politisch setzen kann, muß sagen, wo gestrichen werden soll.
Was schlagen Sie vor?
Ich bin als Gewerkschaftler, Lehrer und Vater gegen Streichen. Ich kann und will keine Vorschläge machen. Ich glaube, unsere Gesellschaft muß mehr für die Schule aufwenden. Frau Raab stellt die Fragen nicht mit dem richtigen Ernst.
Was wäre denn die richtige Frage: Gesamtschule abschaffen?
Nein. Ich sage, wir müssen notfalls mehr Steuern zahlen. Ich sage nicht, daß wir die Gesamtschulen beschneiden müssen. Aber es wird nicht möglich sein, 300-Stellen Sparleistung an Gesamtschulen vorbeilaufen zu lassen. Wer die 300 Stellen nicht zusätzlich schaffen kann, wird über größere Klassen, Abbau von Förderunterricht und Integrationsmaßnahmen, Schulzeitverkürzung, Zentralabitur und so weiter reden müssen. Für mich alles ziemlich schreckliche Dinge.Fragen: Kaija Kutter
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