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Abgeschmettert

■ betr.: „Lübeck: ,Lebenslänglich‘ für Polizistenmörder“, „Kann ich nicht rausgebracht werden?“, taz vom 2.12. 97

[...] In dem Kommentar wird deutlich, daß Annette Rogallas Meinung Ursache für die Art der gesamten Prozeßberichterstattung ist, die nicht Hintergründe der Taten Diesners und der Neonazi- Szene nach vorne rückte, sondern sich in Artikeln über Diesners Sozialisation und Geschehnissen aus dem Gerichtssaal erschöpfte. Rogalla unterstellt dort dem Anwalt des Diesner-Opfers und PDS- Buchhändlers Klaus Baltruschat, er habe aus dem Verfahren einen „politischen Prozeß“ machen wollen und die PDS hätte gerne das System an den „Pranger“ gestellt. Tatsächich war der Anwalt in dem Prozeß der einzige, der versuchte, die Hintergründe des neonazistischen Terroristen Diesner und seiner Taten aufzuklären und zu ergründen, welche Gefahren der neonazistische Untergrund noch in sich birgt.

Daß der Anwalt dafür auch den Berliner Innensenator Schönbohm in den Zeugenstand holen wollte, dessen Behörden immerhin ganz ordentlich die Ermittlungen verschleppt hatten, gilt für die Autorin als Beweis für den Versuch des „politischen Prozeß“. Dafür, daß der Vorsitzende Richter diese Versuche und damit eine Aufklärung der Hintergründe abschmetterte, wird er von Rogalla gelobt.

Wenn die Autorin sich auf den Standpunkt stellt, die Klärung der Hintergründe wäre nicht Aufgabe des Gerichts, so bleibt die Frage, wer soll dies dann tun? Daß die Polizei gerade in Sachen Rechtsextremismus oft nicht besonders gut bis gar nicht ermittelt, ist allgemein bekannt. [...] Der gesellschaftlichen Kontrollfunktion, die statt dessen die Medien übernehmen könnten, wird Rogalla mit ihrer Berichterstattung mitnichten gerecht. Stefan Jakob, Berlin

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