: Abfuhr für Schröders SPD
■ Niedersachsen: CDU bei Europawahl wieder stärkste Partei / Erfolg für Grüne, Debakel für die FDP
Drei Monate nach dem deutlichen Wahlsieg bei der Landtagswahl haben die WählerInnen in Niedersachsen der SPD bei der Europawahl eine Abfuhr erteilt. Die CDU wurde am Sonntag mit 39,7 Prozent (Landtagswahl 36,4) stärkste Partei zwischen Harz und Nordsee. Die SPD, die künftig allein im hannoverschen Landtag regieren wird, erhielt 39,6 Prozent (Landtagswahl 44,3) der Stimmen. Bündnis 90/Die Grünen legten mit 9,8 Prozent gegenüber der Landtagswahl im März (7,4) kräftig zu. Die FDP scheiterte mit 3,9 Prozent (Landtagswahl 4,4) erneut an der Fünf-Prozent-Klausel.
Einig waren sich am Montag Sprecher aller Parteien darin, daß bei dem Wählervotum in Niedersachsen die Bundespolitik ausschlaggebend war. Während die Sozialdemokraten allerdings kaum einen Einfluß der Landespolitik auf die Europawahl ausmachten, meinten die Christdemokraten, auch die noch regierende rot-grüne Koalition habe sich auf das Ergebnis ausgewirkt. Außerdem sei Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) während des Wahlkampfes „total abgetaucht“, hieß es in der CDU-Parteizentrale in Hannover. Die Christdemokraten vermuten, daß das schlechte Abschneiden Unruhe in die Reihen der Sozialdemokraten trägt, weil sie im neuen Landtag nur eine Stimme Mehrheit haben.
„Für die Landespolitik hat das Ergebnis keinen Einfluß“, betonte dagegen SPD-Chef Johann Bruns. Es seien deshalb in Niedersachsen auch keine speziellen Schlußfolgerungen zu ziehen. Die CDU habe von dem sich ankündigenden wirtschaftlichen Aufschwung profitiert. Die SPD habe nicht klarmachen können, daß ohne gezielte Arbeitsmarktpolitik bei anspringender Konjunktur keine wesentliche Besserung bei den Arbeitslosenzahlen zu erwarten sei.
Bezogen auf SPD-Bundeschef und Kanzlerherausforderer Rudolf Scharping sagte Bruns, „man darf das Problem nicht auf eine Person reduzieren“. Scharping-Schelte gebe es nicht. Viele Genossen sehen das allerdings anders. Scharping habe auf die gleichen Themen wie Schröder beim Landtagswahlkampf gesetzt, sie aber offensichtlich nicht vermitteln können, wird in Parteikreisen kritisiert.
Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) mahnte ein deutlicheres Profil seiner Partei in Bonn an. Er betonte, es sei nicht gelungen, die traditionelle SPD-Klientel – die Arbeiterschaft – zu mobilisieren. Vor allem in den städtischen SPD-Hochburgen wie Emden, Wilhelmshaven, Hannover oder Braunschweig hätten die Genossen Einbrüche erlitten. Für die Grünen kam das schlechte Abschneiden der SPD nicht überraschend. Scharpings Politik unterscheide sich kaum von der des Bundeskanzlers Helmut Kohl, meinte Vorstandssprecherin Gila Altmann.
In Niedersachsen erhielten nicht nur die SPD und FDP einen Dämpfer. Zu den Verlierern gehörte auch Europa. Mit nur 52,7 Prozent hatte die Wählerbeteiligung gegenüber dem vergangenen Urnengang von 1989 um über zehn Prozent abgenommen. Die größten Einbrüche wurden im sogenannten Schweinepestgürtel verzeichnet, wo der Europaverdruß wegen der EU-Maßnahmen gegen die Seuche besonders groß ist. Im Landkreis Diepholz etwa war die Wahlbeteiligung mit 42,9 Prozent (1989: 59,2) am niedrigsten in ganz Niedersachsen.
Fünf Frauen und vier Männer werden Niedersachsen im neuen europäischen Parlament vertreten. CDU und SPD schicken je zwei Frauen und Männer nach Straßburg, Bündnis 90/Die Grünen sind mit einer Frau aus Niedersachsen vertreten.
Als einzige Kandidatin der Grünen in Norddeutschland zieht Undine Bloch von Blottnitz wieder nach Straßburg. Bereits von 1984 bis 1989 sammelte die 57 Jahre alte Innenarchitektin und Bäuerin aus Lüchow-Grabow erste Erfahrungen im europäischen Parlament.
Europa-Erfahrungen haben auch Godelieve Quisthoudt-Rowohl und Brigitte Langenhagen. Die beiden CDU-Politikerinnen sitzen gemeinsam mit dem Juristen Gert Pöttering (48) aus Bad Iburg und dem 57 Jahre alten Tierarzt Karsten Hoppenstedt aus Burgwedel für die niedersächsischen Christdemokraten im Europaparlament. dpa
Europa-Neulinge sind die SPD-Mitglieder Erika Mann (43) und Bernd Lange (38). Die Diplom-Pädagogin aus Bad Gandersheim kandidierte zum ersten Mal für das Europa-Parlament. Der Gymnasiallehrer aus Burgdorf hatte sich 1989 schon einmal beworben. „Alte Hasen“ im Europaparlament sind hingegen die Soziologin Rosemarie Wemheuer (44) aus St. Andreasberg und der 55 Jahre alte Günter Lüttge aus Emden. dpa
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