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Abfindung für Schanzen-Inis

Sternschanzen-Turm: Nach dem Hotelbeschluß zwei Millionen Mark für soziale Einrichtungen im Viertel akzeptiert  ■ Von Heike Haarhoff

Das Hotel im Wasserturm im Sternschanzenpark ist unter Dach und Fach. Nachdem die Bezirksversammlung Eimsbüttel dem umstrittenen Kommerz-Projekt am Donnerstag grünes Licht gegeben hatte, unterzeichneten gestern Bezirkschef Jürgen Mantell (SPD) und Investor Joachim Ernest Storr einen städtebaulichen Vertrag.

Darin verpflichtet sich der Turmbesitzer, das Industriedenkmal in ein 180-Betten-Hotel der französischen Kette Accord (Ibis, Mercure) umzuwandeln. Die Baugenehmigung soll im Januar erteilt werden; Ende 1998 könnten die ersten Gäste im Wasserturm übernachten. Im Gegenzug bezahlt Storr zwei Millionen Mark Abfindung „für soziale Einrichtungen“ im Schanzenviertel. Und garantiert, daß der künftige Hotelbetreiber nicht gegen Grillparties, Kinderspielplätze, Stadtteilfeste und sonstige öffentliche Parknutzungen vorgehen wird.

20 Vertreter der Stadtteil-Initiative „1. Hilfe für die Sternschanze“ trafen sich daraufhin gestern auf Einladung des Bezirksamtsleiters zu einem ersten Gespräch, um über die Verwendung der Gelder zu beratschlagen. „Konkrete Ergebnisse“ habe es zwar nicht gegeben, „aber die zweistündige Diskussion verlief sehr sachlich“, erklärte Jürgen Mantell erleichtert. Möglich sei, Stadtteilzentren, Drogenhilfestellen oder Kinderspielplätze zu fördern. Entscheiden sollten die „Leute vor Ort“; im Januar ist ein Folgetreffen geplant.

Daß die Inis doch noch Gesprächsbereitschaft signalisieren, geschweige denn die Investoren-Knete annehmen würden, mochte nach den tumultartigen Szenen auf der donnerstäglichen Bezirksversammlung niemand so recht glauben. „Wir sind nicht bestechlich!“, hatten 100 zornige Menschen ihrem Zorn lauthals Luft gemacht. Von dem Geld, das die Initiativen spalte, sollte der Bezirksamtsleiter „Klopapier kaufen gehen“. Im übrigen sei der Investor ein „Lügner!“ und Mantell ein „Idiot!“. Fenster wollten sie einschlagen, Bauzäune einreißen und der Stadt „Millionen-Kosten“ durch Straßenschlachten mit der Polizei bescheren, falls die Bezirksversammlung durchsetze, was sie soeben mit den Stimmen der SPD und CDU beschlossen hatte: das Industriedenkmal zu einem rein kommerziellen Touriturm zu machen, statt ihn zu mindestens 50 Prozent einer öffentlichen Nutzung zuzuführen.

Denn das war vor sechs Jahren, als Storr den Turm für läppische 39.200 Mark von den Wasserwerken kaufte, vertraglich festgelegt worden. Doch der Turm rottete vor sich hin, bis Storr im Herbst gestand, das Konzept sei wirtschaftlich untragbar. Um das Monument aber nicht gänzlich verfallen zu lassen, beschlossen Eimsbüttels Volksparteien jetzt Schadensbegrenzung und genehmigten das Hotel. „Politische Prostitution“ warf ihnen GALier Ernst Medecke vor.

Jürgen Mantell ließ sich allen Drohungen zum Trotz („Der Turm lebt länger als du!“) nicht einschüchtern. Anders der eigens aus München angereiste Investor Storr. Schutzsuchend kauerte er an der Seite des Bezirksamtsleiters, stellte sich aber tapfer dem Dialog mit den Initiativen. „Mein primäres Interesse ist, das Industriedenkmal zu erhalten. Das Hotel ist der letzte Ausweg.“ Die zwei Millionen seien durch eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft gesichert.

„Komm, wir gehen in den Sternschanzenpark, ich zeig dir mal, was in Hamburg los ist“, forderte ihn eine Frau auf. Storr zuckte unmerklich zurück. „Also das ist hier kein Tribunal, sondern eine Pressekonferenz“, kam ihm Mantell zu Hilfe.

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