: Abenteuerspielplatz Dualperzeption
■ Das „Optische Konzert“ der Berliner „Film und Pfennig Produktion“
„Heute abend erwartet Sie das Abenteuer“. Die kleine Schar Zuhörer/schauerInnnen in der nächtlich leeren Schauburg konnte gespannt sein. Schließlich sollte „die Tradition des Unterhaltungsfilms mit anderen Mitteln“ fortgeführt werden. Das
Filmbüro Bremen hatte im Rahmen des Bremer Musikfestes die Berliner Film und Pfennig Produktion mit ihrem Optischen Konzert geladen.
Was ist ein optisches Konzert? Da stellen wir uns erst mal ganz dumm. Sehen und Hören zur gleichen Zeit kommt dem Ganzen schon nahe. Ein akustischer Film also? Im Grunde ist alles viel einfacher. Rechts steht eine Leinwand und links steht eine Band. Auf der Leinwand läuft ein Film und die Band macht Musik. Das gab's alles schon? Nicht ganz.
Ernst Deuker, Initiator der Unternehmung, weist, nicht ohne Stolz, auf sein selbstgebautes Fotofon hin. Dieses „reguläre Musikinstrument“ ist ein schwarzes Holzregal, auf dem zwei Super-Acht-Projektoren, ein Dia-Projektor und zwei Walkmen montiert sind. Mit fünf Tasten können die Objektive der Lichtquellen geöffnet und verschlossen, sowie
die Tonbänder gestartet werden.
Das erste Bühnenabenteuer war ein Flugzeugabsturz im eigenen Wohnzimmer auf Super-Acht, genannt Auf hoher See, aber noch ohne Musik. Sehr lustig, nicht langatmig, aber wo blieb das Konzert? Es kam gleich danach mit einem Robert-Fripp-Zitat des Quintetts zu einem Strichmännchenfilm. Kompakt vorgetragen, mit zwei Bässen und einer Kontrabaßklarinette. Schon allein dieses wuchtige Blasinstrument mit seinem sonoren Klang ließ die Ohren spitzen. Davon mußte noch mehr kommen.
Dafür, daß die einzelnen Mitglieder der Band eigentlich aus verschiedenen Musikbereichen kommen und nur für dieses Ton/Film-Projekt zusammenspielten, entwickelte sich ihr Vortrag zu einem dichten und wohlabgestimmten Klangerlebnis. Besonders die Klarinetten bestimmten dabei die
jeweilige Wirkung des immer wieder überblendeten Bildmaterials. Eine gewisse Anlehnung an düstere Klanggebäude eines Miles Davis verstärkten zuweilen den visuellen Eindruck und vermischten sich mit ihm zu einer dualen Perzeption, die die kommerziellen Videoclips so gern anstreben. Das kam am besten mit den grünlichen Film -Fragmenten zur Geltung, die im Abwurf und den grausamen Auswirkungen der Hiroshima-Bombe kulminierten.
Doch ein gewisser Leerlauf, Probleme mit der zeitlichen Abstimmung der musikalischen und optischen Komponenten und eine nur allzu menschliche manuelle Fehlerquote bei der Bedienung des Fotofons ließen das an sich interessante Konzept noch nicht rund genug erscheinen. Die äußeren Umstände (lange Anfahrt, später Beginn, wenig Publikum) mögen dazu beigetragen haben, doch mehr professionelle Perfektion würde das Vorhaben entscheidende Schritte voranbringen. Das Zeug dazu hat die Film und Pfennig Produktion, die ungewöhnliche Instrumentierung ist allein einen Besuch wert. Denn im nächsten Jahr wollen sie wiederkommen.
Jürgen Franck
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