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Archiv-Artikel

claus guth, „ring“-inszenator Ab ins Unterbewusste

Von PS

Nein, er ist nicht einverstanden damit, eine Oper als „art pour l’art“ zu inszenieren. Auch mag er sich nicht an pompösen Bildern abarbeiten. Und schon gar nicht will er brav die Handlung nacherzählen. Nein, Opernregisseur Claus Guth, der ab 2007 Wagners „Ring“ in Hamburg neu inszeniert, interessiert sich für das Seelenleben. Oder vielmehr: für jenen untergründig-surrealen Zugriff, wie ihn Magritte und Ernst in der Malerei, Kubrick und Hitchcock im Film praktiziert haben.

Der Blick ins Unterbewusste reizt ihn, ob bei Uraufführungen oder dem Standardrepertoire. Nur konsequent ist es also, dass er sich 2003 im „Fliegenden Holländer“ nicht mit dessen Suche befasste, sondern mit der Missbrauchsgeschichte der schließlich gefreiten Senta. Emotionale Innenräume hat Guth auch bei Verdis „Simon Boccanegra“ ausgeleuchtet, im selben Jahr war das, in Hamburg. Begriffe wie Liebe, Schuld, Aufopferung interessieren ihn – immer demonstriert anhand einer klaren Konstellation.

Als zupackend gilt der studierte Germanist und Philosoph, der auch Abseitiges einstudierte: die Oper „Das Beben“ des Armeniers Avet Terterjan etwa. Oder „Unsichtbar Land“, eine Collage aus der Musik Henry Purcells und des 1961 geborenen Helmut Oehring. Daneben hat er Mozart, Prokofjew und Henze unter anderem auf Basler, Münchner und Salzburger Bühnen gebracht.

Folgerichtig ist es auch, dass der Purist Guth mehrfach mit Nicolaus Harnoncourt zusammengearbeitet hat, jenem Dirigenten, der die romantische Aufführungspraxis abgeschafft und Bach et al. systematisch entschlackt hat. Weitere Zutat Guth’scher Inszenierungen: karge, durch Videoprojektionen angereicherte Bühnenbilder, entworfen vom Ausstatter Christian Schmidt, der auch den neuen Hamburger „Ring“ mitgestalten wird. Interieurs sind das meist, die sich stets auch als Innenräume des Menschen deuten lassen. Oft sind sie verspiegelt, oft stellen sie Dinge, Menschen und Gewissheiten auf den Kopf. „Die Oper“, sagt Claus Guth, „ist das letzte Refugium des Irrationalen.“ Er fühlt sich wohl zwischen allen Stühlen. PS