: Ab 1999 fehlen jählich 1,4 Milliarden
■ Koalitionsausschuß löste Streitfragen der Koalition nicht / Kassensturz im Mai 1998
„Wir haben jedes Gerede über eine Krise widerlegt“, mit diesen Worten trat Detlev Albers, SPD-Landesvorsitzender, gemeinsam mit dem CDU-Kollegen Bernd Neumann am Sonntag mittag vor die Landespressekonferenz. In der Sache hatte der Koalitionsausschuß keine der offenen Fragen beantwortet, sondern nur festgesellt, daß es keinen Konsens über einen Doppelhaushalt 1998/99 und den von der CDU geforderten Verkauf weiterer Stadtwerke-Anteile gebe; im kommenden Mai soll der Koalitionsausschuß erneut die Finanzlage beraten.
Einig waren sich die beiden auch darin, daß die Koalition nicht „als Block“in den Wahlkampf gehen wolle, wie Neumann das formulierte, daß es also „nichts schadet“, wenn Differenzen zwischen CDU und SPD in der Öffentlichkeit deutlicher würden.
Während Albers bis zum Mai eine „sichere Klärung, wenn nicht Ergebnisse“der in diesem Jahr immer wieder vertagten Verhandlungen um die Fortsetzung der Sanierungshilfe erwartet, ist Neumann da skeptischer. „Keine Prognose“wolle er da abgeben, erklärte er, die Lage sei „sehr unübersichtlich“. Insbesondere die reichen Geberländer blocken. Er habe in Bonn den Eindruck gewonnen, daß das Saarland „nicht auf eine Klärung vor der Bundestagswahl“setze. Immerhin rechnet sich Landeschef Oskar Lafontaine eine Chance aus, nach der Bundestagswahl im September 1998 eine wichtige Rolle in der Bonner Politik zu spielen, wenn nicht gar Nachfolger Kohls zu sein. Im Bremer Finanzressort weiß man, daß das Saarland jetzt keinen Druck etwa mit der Androhung einer neuen Bundesverfassungsgerichtsklage machen wolle, um die Position Lafontaines nicht zu belasten. Neumann beschrieb das Kalkül anders: „Das machen wir, wenn einer von uns Bundeskanzler ist, sehr viel besser“, diese Spekulation aus sarländischer Richtung „wäre schade“, formulierte Neumann vorsichtig. Auch Scherf hatte vor einigen Tagen sybillinisch angedeutet, eine Klärung der Finanzlage gebe es erst „nach der Bundestagswahl“.
Auch deshalb soll der Etat 1999 ohne zusätzliche Sanierungsmittel des Bundes und der Länder aufgestellt werden. Für die mittelfristige Finanzplanung droht derweil schon ab 1999 ein regelmäßiges Haushaltsloch von ca. 1,4 Milliarden. Selbst wenn, wie Finanzsenator Hartmut Perschau fordert, für das Jahr 1999 das Loch um 350 Millionen durch den Verkauf weiterer 25 Prozent Stadtwerke-Anteile vermindert würde, stiege die Neuverschuldung Jahr für Jahr um 1 Milliarde oder mehr. „Sparen und weitere Hilfen aus Bonn“ist denn auch Neumanns hoffnungsgetragene Antwort auf die Frage, wie es ab dem Jahre 2000 weitergehen kann mit der Bremer Finanzpolitik. Als Trost dient da nur der Hinweis, daß es anderen Ländern ähnlich schlecht gehe.
Den Eindruck, daß das Saarland derzeit keinen Druck machte auf ein Ergebnis der Sanierungs-Verhandlungen, findet der Bremer SPD-Chef Albers „Quatsch“. So oder so ist seine Antwort auf die Haushaltlücken ab dem Jahre 1999 schlicht „Neuverschuldung“. Bis dahin aber, so vesichert er, sollten wenigstens die wesentlichen Schattenhaushalte, die insbesondere durch den gescheiterten Versuch der Vulkan-Rettung entstanden sind, abgebaut werden. Dies sei auch aus rechtlichen Gründen dringend erforderlich, unterstrich Neumann diesen Aspekt. Von den Krediten, die im Hinblick auf die für 1999 anstehende Privatisierung der Gewoba aufgenommen wurden, um die Vulkan-Schulden ablösen zu können, ist ein Teil schon für laufende Haushaltlöcher eingeplant. Diese Verschiebungen in den Etiketten ändere aber wenig, fand Neumnn drastisch: „Das sind alles dieselben Bremer Schulden.“ K.W.
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