: AUSSENSEITER - SPITZENREITER?
■ Interview mit den Galeristen Silvia Menzel und Michael Geisler
AUSSENSEITER - SPITZENREITER?
Interview mit den Galeristen Silvia Menzel und Michael
Geisler
Die Galerie Silvia Menzel zwischen Beuys 1982 und Beuys 1988 - sechs Jahre harte Frauenarbeit, und als Lohn ein auch über Berlin hinaus guter Ruf. Große finanzielle und moralische Enttäuschungen mit Nachwuchskünstlern (Thomas Schließer), aber auch Spektakuläres (Eugen Schönebeck) begleiteten diese Zeit. Mit von der Partie ist auch Silvia Menzels Lebensgefährte Michael Geisler, der seit Anfang dieses Jahres die Geschäftsleitung der Galerie besorgt.
Frage: Frau Menzel, wann und warum haben Sie sich entschlossen, eine Galerie zu gründen?
Silvia Menzel: Seit 1972 habe ich mit meinem damaligen Lebenspartner zeitgenössische Kunst gesammelt. Nach meiner Trennung haben mich einige bekannte Berliner Künstler motiviert, eine Galerie zu gründen. 1982 hatte ich dann die Möglichkeit, mit Joseph Beuys zu eröffnen. Beuys hatte damals die Idee, einen Tag vor Eröffnung der Zeitgeist -Ausstellung im Gropius-Bau einen goldenen Kuchen zu backen. Es wurde ein Kuchen gebacken, vergoldet und dann aufgegessen - als Symbol der Galerieeröffnung. Von Beuys war daraufhin noch eine Plakatausstellung zu sehen. Aus meiner Sammlungstätigkeit heraus habe ich Fetting angesprochen, der damals schon sehr bekannt war. Mary Boone hatte ihn ein halbes Jahr vorher in New York ausgestellt, woraufhin seine Arbeiten sehr gefragt waren. Ich habe Fetting überredet, in Berlin, wo er bis dahin noch nicht gezeigt worden war, Papierarbeiten auszustellen. Danach habe ich Andy Warhol ansprechen können, und er hat mir frühe Zeichnungen von 1954 -58 und kleinere Bilder zur Verfügung gestellt.
Hätten Sie die Galerie auch ohne Ihre guten Kontakte gegründet?
Menzel: Wahrscheinlich nicht. Nur aufgrund meiner guten freundschaftlichen Beziehungen zu einigen Künstlern konnte ich qualitativ gute Ausstellungen erreichen. Ohne Kontakte hätte man höchstens eine Ausstellung kaufen können, aber diese Möglichkeit hatte und wollte ich nicht. Mein Anliegen war immer, mit dem Künstler zusammen eine Ausstellung zu gestalten.
Michael Geisler: Unabhängig von den guten Kontakten wolltest du aber auch das künstlerische Vakuum, das nach Beendigung deiner Sammlertätigkeit eintrat, ausfüllen.
Menzel: Es war wohl beides, die Liebe, das Interesse und die Kenntnis der Kunst, und die bestehenden Kontakte zu den schon genannten Künstlern. Leidenschaft und Begeisterung für die Kunst allein reichen nicht aus. Dazu ist die Galerietätigkeit viel zu ernst und erfordert sehr viel persönliches Engagement, Energie und Sachkenntnis.
Kann man Ihre beiden Eröffnungsausstellungen als programmatisch auffassen, einerseits hohe und andererseits modische Kunst?
Menzel: Nein, diese Eröffnungen mit Beuys, Warhol und Fetting können nicht als programmatisch angesehen werden. Ich habe bei Beginn meiner Galerietätigkeit noch kein programmatisches Konzept gehabt. Das mit Beuys war mehr eine Freundschaftsgeste seinerseits für die Galerie Silvia Menzel. Er hat es aus Sympathie und ohne finanzielles Interesse getan. Mit Warhol und Fetting habe ich einfach nur aufgrund meiner Beziehungen zu ihnen diese Ausstellungen machen können. Als junger, unerfahrener Galerist kann man nicht mit einem festen Programm aufwarten, man muß im Laufe der ersten Jahre Erfahrungen sammeln, um dann sowohl für sich selbst, für die Sammler und für die Künstler eine eindeutige Linie zu entwickeln.
Neben Beuys und Warhol stellten Sie immer wieder Leute wie Walter Dahn oder Helmut Middendorf aus, die im Trend oder im Kommen waren. Steckt dahinter nicht die Strategie, soviel und solange zu verkaufen, wie es geht?
Menzel: Nein, ich habe nie Künstler ausgestellt, weil ich glaubte, mit ihnen viel Geld zu verdienen. Ich stelle nur Künstler aus, von deren Arbeit ich überzeugt bin. Durch die Ausstellung mit bedeutenden Künstlern, deren Arbeiten sehr gefragt sind, hat die Galerie die Möglichkeit, auch junge unbekannte Künstler vorzustellen und zu fördern. Durch diese aufgezeigte Kombination von bekannten und jungen Künstlern fand mein Galerieprogramm eine hohe Beachtung.
Hauseigene Künstler, die Sie kontinuierlich vorstellen und aufbauen, haben Sie gar nicht?
Menzel: Nein, das ist auch gar nicht möglich. Eine junge Galerie kann doch nicht von Anfang an mit einem Stamm von hauseigenen Künstlern aufwarten. Man braucht schon einige Jahre, um das Vertrauen der Künstler zu erreichen und um der Galerie einen entsprechenden Namen zu geben. Außerdem mußte ich mir auch finanzielle Möglichkeiten schaffen, um in junge Künstler zu investieren, um damit eine Zusammenarbeit zu garantieren.
Geisler: Was jüngere Künstler betrifft, hat es schon zweimal riesige Enttäuschungen gegeben, sowohl menschlich als auch finanziell. Diese beiden Fiaskos haben Silvia Menzels Bereitschaft, jüngere Künstler auszustellen und vorzufinanzieren, sehr gedämpft. Beide Male gab es einen sehr großen Vertrauenseinbruch, weil bestimmte geschäftliche Absprachen nicht eingehalten wurden. Nur eine mit geschäftlichem Know-how geführte Galerie kann den beiderseitigen Erfolg sichern. Wir wollen nur mit Künstlern arbeiten, die sich an die Erfüllung der gemeinsam erarbeiteten Abmachungen halten.
Welche Erwartungen verknüpfen Sie denn mit Ihrer Arbeit?
Geisler: Wir haben einen bestimmten qualitativen Anspruch, was die Darstellung der Künstler angeht. Zum Beispiel unsere Ausstellung mit Magdalena Jetelova. Sie ist ohne Zweifel eine jener Künstler, die man von der Qualität und dem Berühmtheitsgrad her jetzt sehr hoch ansiedeln kann.
Welchen Anspruch haben Sie in bezug auf die Vermittlung von Kunst und in bezug auf Öffentlichkeit?
Menzel: Ich mache in erster Linie Ausstellungen, von denen ich selbst überzeugt bin. Die Resonanz des Publikums und der Presse sind sehr problematisch, und ich frage auch nicht danach. Um zu existieren, braucht eine Galerie natürlich Öffentlichkeit und auch Käufer. Beispiel Magdalena Jetelova. Die Ausstellung mit ihr vor zwei Jahren war sehr kostenintensiv. Wir mußten die Arbeiten aus London und aus Köln holen. Es waren immerhin einige Tonnen, die wir hin und hertransportiert haben. Es wurde ein aufwendiger Katalog gemacht, usw. Natürlich habe ich Sammler und Museen zum Kauf zu motivieren versucht, was bei der Größe und dem Gewicht der Plastiken sehr schwer war. Aus meiner Arbeit heraus aber hat sich etwas entwickelt. Magdalena Jetelova hat eine wichtige Ausstellung im Museum Baden-Baden bekommen. Sie ist anschließend in Sao Paolo Biennale-Preisträgerin geworden, hat auf der Dokumenta einen wichtigen Raum bekommen und eine Einzelausstellung im Museum of Modern Art in New York erhalten. Ich habe meine Kunden darauf aufmerksam gemacht und Papierarbeiten von ihr verkauft. Oder Imi Knoebel. Ich empfehle den Leuten, etwas zu kaufen, weil der Preis noch interessant ist. Den kleinen Sammlerkreis, den es hier in Berlin gibt, gut und rechtzeitig zu informieren, ist eine sehr wichtige Galeriearbeit.
Steht beim Verkauf eines Kunstwerks die Vermittlung eines kreativen Wertes oder die Vermittlung einer Kapitalanlage im Vordergrund?
Menzel: Ich lege großen Wert darauf, daß beides zutrifft. Man sammelt natürlich aus Leidenschaft, aber es ist ebenso wichtig, beim Aufbau einer Sammlung den werterhaltenden und eventuell auch den wertsteigenden Aspekt zu berücksichtigen. Es ist natürlich ein erhabenes Gefühl, wenn der Sammler feststellt, das er seine Kunstwerke rechtzeitig erworben hat.
Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Ihre Themenausstellungen wie „Köpfe“ oder „Säulen“ mit Einzelarbeiten bekannter Künstler?
Menzel: Es ist sehr interessant, den Sammlern und dem hochinteressierten Publikum vorzuführen, wie ein bestimmtes Thema von unterschiedlichen Künstlern philosophisch, psychologisch oder politisch behandelt wird. Durch die Zusammenfassung der zu diesem speziellen Themenkreis gehörenden Arbeiten ergeben sich sehr aufschlußreiche, interessante Aspekte. Ein weiteres Beispiel für eine sehr gelungene Themenausstellung war die Ausstellung „Drei Monate - Drei Generationen“.
Stellt Ihre Rahmenhandlung, die an die Galerie angeschlossen ist, eine Art wirtschaftliches Standbein dar?
Menzel: 1972 habe ich diese Rahmenhandlung, lange vor der Galeriegründung, parallel zu meiner Sammlertätigkeit erworben. Sie war sehr wohl die ersten Jahre die wirtschaftliche Grundlage meiner Galerietätigkeit. Ich habe einen großen Teil meiner Kunden und Sammler über diesen Geschäftsbereich kennengelernt, denn sie ist ja schließlich schon seit 1896 in Berlin eine etablierte Kunsthandlung.
Zusammen mit den Galeristen Anselm Dreher und Clemens Fahnemann haben Sie in Konkurrenz zur IBK die Initiative Berliner Galerien ins Leben gerufen. Diese Initiative vereinigt insgesamt 13 professionell arbeitende Galerien. Wie kam es dazu?
Menzel: In der Berliner Galerienlandschaft bin ich ein Außenseiter. Ich war aufgrund meiner Unbefangenheit, die sich aus einer jahrelangen Abstinenz von der Berliner Galerienszene ergeben hat, eine recht willkommene Integrationsfigur.
Geisler: In den letzten drei Jahren haben wir registriert, daß immer mehr Galerien mit der IBK unzufrieden waren und auch ausgetreten sind, und zwar solche, die die hiesige Szene wesentlich geprägt haben. Motiviert durch ein Gespräch mit Herrn Fahnemann, der wesentlich zur Entstehung dieser Initiative beitrug, und Herrn Dreher haben wir die anderen wichtigen Galerien angesprochen. Wir wollten national und international deutlich machen, daß es Berlin als Kulturstadt gibt und daß wir 13 Galerien kulturpolitisch ein Gewicht haben, jeder auf seinem Wirkungs- und Betätigungsfeld. Als Folge gab es einen Katalog und ein Leporello, und die Reaktionen haben bestätigt, daß dieser Schritt nötig war, über die IBK hinaus eine qualitative Alternative zu bieten. Die Initiative geht auf alle Fälle weiter. Das wird sich im nächsten Quartal in einem weiteren Katalog mit dem Programm der 13 Galerien manifestieren, den wir an die betreffenden Institutionen und an das kunstinteressierte Publikum herausschicken.
Welches Ziel verfolgen Sie?
Geisler: Ein wichtiges Ziel unter anderen sollte sein, Einfluß auf bestimmte kulturpolitische Entscheidungen zu gewinnen. Wir wollen als eine gewichtige Stimme innerhalb der Stadt konsultiert werden. Welche Bedeutung die IBK als juristische Korporation, als Interessenverband hat, dazu möchte ich mich nicht äußern.
Wollen Sie ebenfalls Geld vom Senat?
Geisler: Nein, das ist sicher nicht der Zweck unseres Zusammenschlusses. Wenn der Senat allerdings eines Tages erkennt, welche gewichtige Kulturarbeit wir für Berlin leisten, wird es vielleicht auch einmal zu Formen von Konsultationen und Zusammenarbeit kommen.Inverview: Marius Babias
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