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AKW Würgassen-betr.: "Tiefflugchaos über AKW Würgassen", taz vom 24.10.89

Betr.: „Tiefflugchaos über AKW Würgassen“, taz vom 24.10.89

In den vergangenen Jahren hat sich der nordrhein -westfälische Wirtschaftsminister immer wieder bei dem für die Reaktorsicherheit zuständigen Bundesumweltminister und beim Bundesverteidigungsminister für ein generelles weiträumiges Überflugverbot und dessen ständige Überwachung (Skyguard) insbesondere des Kernkraftwerks Würgassen, eingesetzt. Dem ist die Bundesregierung aber bisher nicht gefolgt. Im Dezember 1988 hat der Bundesverteidigungsminister, nicht zuletzt veranlaßt durch die wiederholten Initiativen des Wirtschaftsministers NRW, lediglich das Überflugverbot für Kernkraftwerke dahingehend erweitert, daß Militärmaschinen eine Mindestflughöhe von 600 Meter einhalten und die Anlagen mit einem Mindestabstand von 1.500 Meter umfliegen müssen. Das reicht nach Auffassung von Herrn Minister Professor Dr.Reimut Jochimsen nicht aus. Umso mehr ist Herr Minister bestürzt über die im Rahmen eines Klageverfahrens gegen das Kernkraftwerk Würgassen erhobenen Vorwürfe, daß diese - aus hiesiger Sicht unzureichenden Vorschriften nicht einmal eingehalten werden sollen.

Zutreffend ist, daß das Kernkraftwerk Würgassen (KWW) ohne eine Sicherung gegen schnellfliegende Militärmaschinen genehmigt wurde. Wenngleich die vorhandenen Gebäude einen begrenzten Schutz gegen ein abstürzendes Flugzeug darstellen und zwischenzeitliche Nachrüstungen erfolgt sind, so ist bei dieser Altanlage der am heutigen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechende Schutz nicht erreicht. Dies ist auch das Ergebnis der in Ihrem Artikel angesprochenen Sicherheitsüberprüfung des KWW. Es entbehrt insoweit aber jeder Grundlage, von einer „Geheimstudie“ zu sprechen. Herr Minister Professor Dr.Jochimsen hat die Zusammenfassung des Gutachtens der Elektrowatt Ingenieurunternehmung unmittelbar nach Vorlage des Gutachtens, am 17. Oktober 1988 der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Gesamtgutachten (Anlagengutachten und Subgutachten) ist in laufenden Gerichtsverfahren dem Oberverwaltungsgericht Münster vorgelegt worden. Im Juni ist das Gutachten im Rahmen eines Sachverständigen-Kolloquiums unter Einschluß von Kernenergiekritikern - auch des Öko-Insituts - erörtert worden. Sowohl die Veranlassung einer so umfassenden Sicherheitsüberprüfung durch eine atomrechtliche Landesbehörde wie die Durchführung eines solchen Kolloquiums sind bisher einmalig in der Bundesrepublik Deutschland. Von „unter Verschluß halten“ der Studie kann daher nicht die Rede sein.

Bei der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde liegen mehrere Anträge vor, die Betriebsgenehmigung des KWW zu widerrufen. Beim OVG Münster sind Anträge auf einstweilige Anordnung des Widerrufs der Betriebsgenehmigung und Anträge auf sofortige vorübergehende Stillegung gestellt worden. Zwei Anträge hat das OVG am 19. Dezember 1988 zurückgewiesen. Hieraus folgt für die Genehmigungsbehörde jedoch keinesfalls, daß kein Erfordernis mehr bestehe, über die vorliegenden Anträge auf Widerruf der Betriebsgenehmigung des KWW zu entscheiden. Antragsteller und das OVG wurden fortlaufend über das Vorgehen der Behörde informiert. Die Behörde wird in nächster Zeit die Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfung, des Kolloquiums und der zwischenzeitlich von der Betreibergesellschaft vorgeschlagenen Ertüchtigungsmaßnahmen, insbesondere auch hinsichtlich des Brandschutzes, bewerten und gegebenenfalls daraus folgende Konsquenzen ziehen. Insofern sind die gestellten Anträge derzeit aber noch nicht endgültig entscheidungsreif. Der Vorwurf der Verschleppung des Stillegungsverfahrens, ist vor dem dargestellten Hintergurnd entschiedenzurückzuweisen.

Die atomrechtliche Behörde wird keinen Augenblick zögern, das Kernkraftwerk Würgassen stillzulegen, wenn dies aus sicherheitstechnischen Gründen erforderlich ist.

Wiese, Pressereferent des Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes NRW

Anmerkung der Redaktion:

Von einer „Geheimstudie“ ist in dem angesprochenen Beitrag an keiner Stelle die Rede. Das Gesamtgutachten ist jedoch der Öffentlichkeit bis heute nicht zugänglich. Das Sachverständigen-Kolloquium wurde nur durch einen taz -Bericht bekannt. Die Öffentlichkeit war nicht zugelassen. Ergebnisse wurden nicht veröffentlicht, die beteiligten AKW -Kritiker zum Schweigen verdonnert.

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