AKW-Abschaltungen in Deutschland: FDP sieht „dramatischen Irrtum“
FDP-Parteivize Kubicki warnt vor dem Aus der letzten Atomkraftwerke in Deutschland. Greenpeace dagegen sieht darin einen „Booster“ für die Erneuerbaren.
Die letzten drei deutschen Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim und Emsland gehen am Samstag vom Netz. Sie trugen zuletzt nur einen kleinen Anteil zur Stromerzeugung bei. Die Betreiber haben die Stilllegung bereits vorbereitet. Eigentlich hätte der Atomausstieg schon zum Jahreswechsel erfolgen sollen; wegen der Energiekrise beschloss die Bundesregierung aber eine Verschiebung der Abschaltung um dreieinhalb Monate.
Die FDP hatte schon damals für eine noch längere Laufzeit plädiert und sieht den bevorstehenden Atomausstieg auch heute kritisch. „Die Abschaltung der weltweit modernsten und sichersten Atomkraftwerke in Deutschland ist ein dramatischer Irrtum, der für uns noch schmerzhafte ökonomische und ökologische Konsequenzen haben wird“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Mittwoch.
Auch der Wirtschaftsrat der CDU erwartet negative Folgen. „Die Abschaltung der Kernkraftwerke am kommenden Samstag ist eine große Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagte die Präsidentin des CDU-nahen Unternehmensverbands, Astrid Hamker, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
„Eine ökonomisch unkluge Entscheidung“
„Bei hohen Inflationsraten das Angebot auf dem Energiemarkt zu verknappen, ist eine ökonomisch unkluge Entscheidung“, argumentierte Hamker. „Solange die Wirtschaft unter hohen Teuerungsraten leidet, müssen alle Kraftwerke ans Netz.“
Der Vorstand des Mittelstandsverbands BVMW, Markus Jerger, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, Deutschlands gehöre „zu den ganz wenigen Nationen in der Welt, die aussteigen, während andere Länder teilweise massiv in die Atomkraft investieren. Da stellt sich die Frage, warum wir gegen jedes Kalkül handeln.“ Auch Jerger beklagte die hohen Energiepreise.
Die FDP-Bundestagsfraktion hatte kürzlich vorgeschlagen, die Atomkraftwerke zumindest noch rund ein Jahr betriebsbereit zu halten, so dass sie wieder hochgefahren werden könnten. Die für nukleare Sicherheit zuständige Ministerin Lemke wies dies zurück. Es handele sich im Grunde um einen Vorschlag, „der zum Gesetzesbruch aufruft, denn die Betreiber dürfen die Atomkraftwerke in keinem Reservebetrieb halten“, sagte sie im Deutschlandfunk. „Das sagt das Atomgesetz sehr klar.“
Neue Brennstäbe, neuer Atommüll
Zudem wären für einen solchen Reservebetrieb neue Brennstäbe nötig, sagte Lemke. „Das würde neuen hochradioaktiven Müll nach sich ziehen. Wir haben in Deutschland bisher noch immer kein Endlager für hochradioaktiven Müll“, betonte die Ministerin. „Und die Menschen, die am Ende des Tages mit einem solchen Endlager werden leben müssen, müssen darauf vertrauen können, dass dort nicht immer mehr und mehr hochradioaktiver Müll eingelagert wird.“
Der Chef von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, sieht den Atomausstieg als Chance. „Mit dem Aus von Atomkraft werden wir jetzt einen richtigen Booster erleben für die erneuerbaren Energien“, sagt er in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“.
Rein technisch hätten die Atomkraftwerke aus Sicht des TÜV noch einige Jahre länger laufen können. „Die Anlagen befinden sich in einem sehr guten Zustand“, sagte der Geschäftsführer des TÜV-Verbands, Joachim Bühler, der Bild-Zeitung. Sie zählten „zu den sichersten Kraftwerken der Welt“ und hätten „bis Ende des Jahrzehnts sicher weiterlaufen können“.
Der Betreiber des Kernkraftwerks Emsland in Lingen will indes an dem Abschalttermin am Samstag festhalten. „Der Ausstieg aus der Kernenergie ist eine politische Entscheidung. Entsprechend den gesetzlichen Regelungen werden wir das Kernkraftwerk Emsland am 15.4. vom Netz nehmen“, sagte am Mittwoch ein Sprecher des Essener Energiekonzerns RWE angesichts der Debatte wenige Tage vor dem Abschalten der letzten Atomkraftwerke in Deutschland.
Der eigentliche Rückbau des 1988 ans Netz gegangenen Kraftwerks im Emsland werde nach der Rückbaugenehmigung beginnen, die das niedersächsische Umweltministerium erteilen muss, sagte der RWE-Sprecher. Der Antrag dafür sei bereits 2016 eingereicht worden.
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