piwik no script img

AIDS–Meldepflicht vom Tisch?

■ Mittel zur AIDS–Bekämpfung sollen nach Vorschlag der Koalitions–Arbeitsgruppe AIDS auf 135 Millionen aufgestockt werden / Meldepflicht nicht vorgeschlagen / Berichtspflicht für Testlabors vorgesehen

Bonn (dpa) - Die Koalitions–Arbeitsgruppe AIDS, deren Vorschläge in das Programm der Bundesregierung einfließen sollen, will keine Meldepflicht für AIDS– Infizierte. Im Rahmen der Bekämpfung der Immunschwäche wird es danach jedoch eine Berichtspflicht der Testlabors geben, die alle positiven Bestätigungstests an ein zentrales Infektionsregister melden sollen. Für neue Maßnahmen sollen zusätzlich 135 Millionen Mark bereitgestellt werden. Bislang waren im Bundesetat nur 20 Millionen Mark bereitgestellt. In der AIDS–Arbeitsgruppe setzte sich Gesundheitsministerin Rita Süssmuth (CDU) durch, die sich eindeutig gegen eine Meldepflicht gewandt hatte. Auf Vorschlag der CSU wurde dagegen in den Katalog aufgenommen, daß gegen Personen, die die Infektion rücksichtslos und vorsätzlich verbreiten, mit allen rechtlichen Mitteln vorgegangen werden muß. In Zusammenarbeit mit den Ländern will der Bund eine Musterverordnung für eine Laborberichtspflicht erarbeiten. Die Sammlung der Labordaten wirke umfassender als die Meldung der Infizierten, liefere schneller Ergebnisse und störe das Arzt–Patienten–Verhältnis sowie die Arbeit der Beratungsstellen nicht, hatte Frau Süssmuth bereits in der Vergangenheit argumentiert. Weitere Daten sollen über eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe bei bestimmten ärztlichen Praxen gewonnen werden. Neben der Bundesregierung verstärken die Länder ihre Maßnahmen zur Bekämpfung der Immunschwäche AIDS. Die nordrhein–westfälische Landesregierung stellte kurzfristig 4,25 Millionen Mark zur Verfügung. NRW–Gesundheitsminister Heinemann sprach sich gegen eine generelle AIDS–Meldepflicht aus. Allerdings müßten Erkrankungsfälle anonym erfaßt werden. Gegen die aus der CSU vorgeschlagene Meldepflicht stellten sich am Dienstag auch der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands und der hessische Datenschutzbeauftragte Spiros Simitis, der vor dem Versuch warnte, auf Umwegen ähnliche Datensammlungen anlegen zu wollen wie bei der Einführung einer Meldepflicht, etwa durch die „schleichende Ausdehnung“ von Untersuchungspflichten auf immer mehr Bevölkerungsgruppen. Die bayerische Landesregierung will heute über ihr AIDS– Landesprogramm beschließen. Eine „Sonderkonferenz AIDS“ der Gesundheitsminister von Bund und Ländern soll in Kürze die einheitliche Anwendung des Bundesseuchengesetzes vor allem bei bestimmten Risikogruppen prüfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen