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AIDS–Debatte in UdSSR–Zeitung

■ Experten antworten Lesern: Schwangere werden serienmäßig auf AIDS untersucht / Leser fordern Isolierung und Brandmarkung / Infizierte Ausländer werden „deportiert“

Moskau (dpa) - In der UdSSR werden auf Weisung des Gesundheitsministerums Schwangere auf die Immunschwächekrankheit AIDS untersucht. Das berichtete am Dienstag die Gewerkschaftszeitung Trud. Offenbar wird Müttern dabei auch die Möglichkeit einer Abtreibung nahegelegt. Das Gesundheitsministerium erwäge, Paare vor der Ehe medizinisch und dabei auf Aids untersuchen zu lassen. In dem Artikel äußerten sich unter anderem der Präsident der Medizinischen Akademie der Wissenschaften in Moskau und der stellvertretende Gesundheitsminister auf Leserzuschriften. So berichteten Leser, daß sie aus Furcht vor nicht sterilen Instrumenten den Gang zum Frauenarzt, zum Zahnarzt und zur Kosmetikerin scheuten. Gefragt wurde, ob es nicht ratsam wäre, „Kontakte zu Ländern einzuschränken, wo es viele Erkrankte gibt“, oder „auf Olympische Spiele und andere internationale Veranstaltungen zu verzichten“. Wieder andere schlugen vor, „im Paß einen Vermerk über die Krankheit zu machen“ oder „an gut sichtbarer Stelle an der Hand ein Brandzeichen anzubringen“. Leser sprachen sich auch für eine Isolierung von AIDS–Infizierten und AIDS–Erkrankten, insbesondere Homosexuellen aus, die „nach unseren Gesetzen Verbrecher sind“. Die Experten lehnten eine Isolierung „aus rechtlichen und moralischen Gründen“ ab. Ein Experte meinte dazu, daß „diejenigen, die verlangen, die Infizierten einzusperren, einen unmoralischen Lebenswandel führen und ständig Partner wechseln wollen“. Nach dem Bericht gibt es derzeit in der UdSSR einen AIDS– kranken Sowjetbürger. Drei Ausländer seien an der Krankheit gestorben. Außerdem seien 254 Ausländer und 33 Sowjetbürger mit AIDS infiziert. Die Ausländer seien alle „deportiert“. Die Zeitung nannte nicht eindeutig die Gesamtzahl der AIDS–Erkrankten und AIDS–Infizierten in der UdSSR. Nach Angaben des Blattes werden alle Virusträger von einem Psychiater untersucht, um mögliche Verzweiflungstaten, den „AIDS–Terrorismus“, auszuschließen. Bisher seien über drei Millionen AIDS–Tests durchgeführt worden. Anonyme AIDS– Beratung gebe es in Moskau, Leningrad, Kiew, Riga, Krasnodar und weiteren 20 Städten.

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