piwik no script img

AH, GEILI, GEILI

■ Bei Strapsharrys „Gipfeltreffen aller Lacher“

Blumen über der Bühne und anderen Seiten zeigen an, daß wir uns nicht in der Eckkneipe befinden, sondern im Spiegelsalon der Kindl-Festsäle, in der „Lachbühne“ von „Dreamboy“ Strapsharry, wo das Bier nicht bloß einsachtzig kostet. Der Blumenfreund zeichnet sich unter anderem dadurch aus, daß er keine Feinde hat und alles, was in seine Nähe kommt, sich zum Freund machen kann. (Die Sterne sind schön heut Nacht „Have you seen the stars tonite?“)

„Harry, komm‘ mal bitte her, du Straßenhippie“, wird er von einem alten Freund begrüßt. 80 Prozent der Besucher sind Stammgäste. Keiner, der neu hinzukommt, kann sich dem Charme des „Szeneopas“ ('BZ‘) oder Freak ('Tip‘) entziehen, dessen Markenzeichen phosphorgrün leuchtende schulterlange Haare, Straps, Turnhose und Turnschuhe sind.

Den Namen „Strapsharry“, unter dem Harry Toste auch im Telefonbuch zu finden ist, bekam er bei den Pfadfindern: „Auf einer Wanderung wurden wir von einem Unwetter überrascht, und damit wir uns in den kurzen Hosen nicht erkälteten, bekamen wir von den Frauen lange Hosen. Für mich waren nur noch Strapse übrig. Die waren auch warm und ein Ulk dazu.“

In den zwanziger Jahren lernte er Koch und Kellner, vor der Machtergreifung organisierte er Großveranstaltungen für jedermann (so das Fest der unteren Zehntausend), in den dreißiger Jahren besaß er eine Nahrungsmittelfabrik „Troste ist aus gutem Grund / so bekömmlich und gesund“. Vor 17 Jahren eröffnete der gebürtige Sachse das erste Autodrom

-führerscheinloses Fahren - in Deutschland, er war der Besitzer der „legendären „Music-Hall“, ehemals „Konkurs“, und macht seit 15 Jahren Transvestie, seit elf Jahren „Dreamboy's Lachbühne“, das letzte finanzielle Bein, das dem weißhaarigen Wirbelwind blieb, nachdem der Senat ihm das gepachtete Autodromgelände am Anhalter Bahnhof zwecks Gedenkschutz entzog.

„Mehr als satt essen kann ich mich nicht. Wozu soll ich Geld horten?“ Quirlig und aufgedreht wie kein 20jähriger begrüßt Strapsharry jeden einzelnen seiner Gäste an der Kasse, geleitet sie zu ihren Plätzen, kellnert zwischendurch, beschwichtigt Mitarbeiter. „Ich hab‘ meine Augen überall..., ich weiß alles“, lächelt er mich an und ist schon wieder fort, um einen neuen Gast zu begrüßen. „Leute, die zu Hause im Lehnstuhl sitzen, können nicht alt werden“, sagt der fast 82jährige und flitzt wieder davon.

Die Show beginnt. Laufende Jahrmarktlichter umrahmen die Bühne und deren tausend Vorhänge. Schneeweiße Tannenbäume am Rand machen es festlich. Wenn das Licht ausgeht, glitzern die Sterne. „Primaballerina, Primaballerina, deine Welt ist die Musik...“, klingt es herzzerreißend im Playback, und eine Schöne wirft die Beine im leichten Kleid. „Der Wille zum Amüsement“ ist zu intellektuell; ein bißchen muß der Mann zum Kind werden, um sich in eine Traumwelt entführen zu lassen, zum Kind, das sich freut, jemanden zu berühren (wenn man auf die Bühne gebeten wird), zum Kind mit seinem grenzenlosen Sex, zum Kind, das viel genauer als man selbst weiß, wozu es mitklascht. - „Er hat ein knallrotes Gummiboot.“

„Wißt ihr, was der Unterschied zwischen Strapsharry und dem runden Tisch ist? - An den runden Tisch geh'n mehr ran!“ Im schwarz-gepunkteten Slip, in schwarzen Strümpfen und grünem Flitter, in Schleier oder Mantel, dessen er sich gekonnt entledigt, führt Strapsharry den amerikanischen Volkstanz, den Striptease, auf.

„Applaus für unseren Detlef“, ein auf die Bühne gebeten wordener Genosse erinnert mich an die Leiden unter meinem Namen. Strapsharry sieht, daß ich Durst habe, und bringt mir ein weiteres Kindl-Premium.

„Ich glaube, Sie haben gemerkt, daß wir uns bemüht haben, Ihnen Freude zu bereiten. Und wenn Sie nach Hause gehen, sollen Sie sagen, es war ein schöner Abend.“ „Ah, geili, geili!“

Detlef Kuhlbrodt

„Dreamboy's Lachbühne“, jeden Do, Fr und Sa, 20.45 Uhr, Spiegelsalon der Berliner Kindl-Festsäle, Herrmannstraße 217 -218, 1/44.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen