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A Tribute to Aki Kaurismäki

■ Henning Bocks Theaterstück „I Hired a Contract Killer“

Sieht man ihn so sitzen und mit zärtlicher Hingabe seinen angeschlagenen Topfgummibaum pflegen, fühlt man gleich, dass er doch am Leben hängt. Auch wenn er gefeuert wird, weder Freunde noch Verwandte hat und die Trübsal größer nicht sein könnte. Der Mann beschließt zu sterben.

Leichter gesagt als getan, schließlich ist der Franzose Hauptfigur in dem Film I Hired a Contract Killer des Finnen Aki Kaurismäki. Als Besetzung des resignierten Henri Boulanger ist in Henning Bocks Hamburger Uraufführung im Altonaer Theater nun Jaques Ullrich zu sehen. Gleichzeitig verschreckt und unaufgeregt schaut er mit großen Augen auf die unverständliche Welt. Wieso muss Sterben so schwierig sein? Weder hält der Strick in seiner Verankerung, noch führt Aspirin den ersehnten Tod herbei. Bleibt nur das Küchenmesser. Schon sieht man es in den Maschen des braven hellblauen Pullunders steckenbleiben, doch Henri traut sich gar nicht erst.

Für die zweistündige Geschichte vom kiefermahlenden Killer (Joachim Lautenbach) als Henris bezahlter Sterbehilfe, seiner unverhofften Liebe zur vergleichsweise quirligen Margaret (Kasia Naumow) und so der Umkehr zum Leben, bedient sich Regisseur Bock eines brillianten Kniffs: Er geht über das reine Bannen vom Film auf die Bühne hinaus, indem er ein weiteres Medium hinzunimmt – das Hörspiel. Sind Kaurismäkis Produktionen in erster Linie Schweigefilme, setzt Bock auf den Erzähler.

Wie ein lebendiggewordenes, visualisiertes Hörbuch setzt das Ensemble die detaillierten Regieanweisungen in Szene. Mal säuselt durchs Mikro die rauchige Stimme von Nicolai v. Schweder-Schreiner, dem Kopf der ortsansässigen Band Veranda Music, hier als Gitarrenspieler mit Blues am linken Bühnenrand platziert. Meistens jedoch rezitiert Christian Kerepeszki in angemessen lakonischem Ton. Dabei nimmt er so beiläufig wie gekonnt etliche Rollen ein und bewegt sich melancholisch wie das ganze Ensemble auf der in Stationen parzellierten Bühne (Jörg Kiefer).

Das Bühnenbild zollt Kaurismäki auch farblich Tribut: Rote Tresen von Hotel und Bar, einfache Tische und Stühle, ein Baugerüst vor mintfarbenem Hintergrund. Kiefers Kostüme dagegen konsternieren leider: dürfen die Männer zeitlose Bohémiens sein, müssen Margarets gelbe Puschen und geblümter Bademantel sowie ihre auch sonst hoffnungslos anachronistische Kleidung als Symbol für ein trostloses Leben herhalten.

Liv Heidbüchel

 nächste Vorstellung: 31.1., 20 Uhr, Altonaer Theater

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