: 500Jahre Widerstand
■ Indiotreffen in Quito
PORTRAIT
Quito (afp) - Die indianische Urbevölkerung Amerikas will mit Nachdruck gegen die angekündigten Feiern zum 500.Jahrestag der Entdeckung Amerikas durch die Europäer zu Felde ziehen. Wenn es 1992 etwas zu feiern gibt, dann nur die „500Jahre Widerstand gegen die Weißen“, urteilten die Delegierten der kontinentalen Konferenz der indianischen Völker, die letzte Woche in Quito zusammengekommen waren. „1992 werden wir überall Demonstrationen und Protestveranstaltungen organisieren“, kündigte die kanadische Vertreterin, Rose Auger an.
Gemäß indianischen Legenden prophezeite sie für die kommenden Jahre große Katastrophen und Veränderungen: Erdbeben, Vulkanausbrüche und Überschwemmungen. Den Legenden zufolge kommt es alle 500 Jahre zu großen Veränderungen, denen Naturereignisse vorhergehen. Alle 500Jahre vereinen sich die Tränen des Adlers des Nordens, „Hanan“, mit denen des Condors des Südens, „Urin“, um einen „neuen Geist“ zu gebären. Viele Indios sind denn auch überzeugt, daß das Goldene Zeitalter 1992 wieder beginnt. „Aber während wir warten, ist es unser gemeinsames Ziel, die Feierlichkeiten zum 500.Jahrestag zu bekämpfen. Wir können nicht den Völkermord feiern, dem so viele unserer Brüder zum Opfer gefallen sind“, erklärte der peruanische Indio Turpo -Choquehunca, der den letzten Inka zu seinen direkten Vorfahren zählt.
Alle 300 Delegierten sahen wenig Grund zum Feiern. Sie verurteilten die Unterdrückung durch die europäischen Conquistadoren, die Massenmorde, die Folterungen, die Inhaftierungen und den Raub ihrer Erde durch die Eindringlinge. „Wir werden 1992 daraus Nutzen ziehen, daß die ganze Welt auf uns schaut. Wir werden unseren Protest kundtun. Die Regierungen, die diese Feiern organisieren, müssen darüber nachdenken, welche Folgen die koloniale Invasion hatte, und was sie machen können, um unsere Entwicklungsprojekte zu unterstützen“, sagte Aurelino. Er vertrat auf dem Treffen die Strömung, die von einer „indianischen Regierung“ träumt, die den Menschen mit dem Kosmos aussöhnt. Andere sprachen von Klassenkampf und fanden dabei die Unterstützung der kubanischen und sandinistischen Beobachter. Aureliano räumt denn auch ein, daß es auf dem einwöchigen Treffen Meinungsverschiedenheiten gab. Viele Indios konnten sich auch noch nicht entscheiden, welchen Weg sie einschlagen sollten: gewaltfreie Proteste oder eine Demonstration der Stärke. Diese ungeklärte Position beunruhigte unter anderem die Regierung im Gastgeberland Ecuador. Das ganze Gelände um den Konferenzort sei „militarisiert“ worden, klagten die Organisatoren. Mehrere Indios warfen der Polizei Mißhandlungen vor.
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