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50 People are afraid of ZombiesMenschenmampf ist kein Stoff für Albträume

Die Couchreporter Heute: Jenni Zylka

Drew Barrymore alias Sheila isst gern Menschenfleisch. Das hat mit ihrem Dasein als Zombie zu tun: Die unauffällige Vorstadt-Immobilienmaklerin mit Eigenheim, Pubertistentochter und Ehemann Joel bemerkte nach einer ausgedehnten Speiattacke plötzlich Veränderungen an sich, zu denen ein fehlender Herzschlag, überbordende Energie und dieser etwas lästige Jieper auf, nun ja, Frisches vom Homo sapiens gehört.

Glücklicherweise sind sowohl der hingebungsvolle Gatte als auch die Tochter auf Sheilas Seite. Gemeinsam mit dem Nachbarsjungen und Sohn eines langsam den Braten riechenden Polizisten klamüsern sie Möglichkeiten aus, Sheilas Bedürfnis zu stillen. Denn auf Joels zaghaft vorgebrachte Vorwürfe „but you eat people …“ kann sie immer nur antworten: „but I feel wonderful!“

Die neue Netflix-Produktion „Santa Clarita Diet“ ist eine Zombie-Selbstfindungsgeschichte. Mit viel Spaß am Splatter geben Barrymore als „Mombie“ Sheila und Timothy Olyphant als Joel ihrem blutleeren Eheleben jenes Essenzielle zurück, das ihm fehlte: Blut. Das ist teilweise komisch und absurd, wird von Barrymore und Olyphant lustvoll überspielt, läuft sich aber auch schnell aus.

Dennoch habe ich der stetig abgerissene Arme und Füße mampfenden Drew Barrymore gern bei ihrem blutigen Befreiungsschlag zugeschaut und mich gefreut, dass sich der schüchterne Nachbarsjunge mit seinem „Leave Pluto alone“-Nerd-T-Shirt langsam an Sheilas selbstbewusste Tochter ranwanzt: Zombiestorys lassen sich gut als Klamauk erzählen. Wirklich Angst vor untoten Menschenfressern hat schließlich niemand.

Wie kann also ein Finger, der in sauber übertriebener Werbeästhetik wie eine Currywurst zubereitet ist und auf einem überdimensionalen Santa-Clarita-Werbeplakat am Potsdamer Platz zu sehen war, angstauslösend und gewaltverherrlichend sein? Angeblich gingen angesichts des Posters 50 Klagen von BerlinerInnen beim Werberat ein, sodass sich Netflix schließlich für ein neues Motiv entschied, auf dem Barrymore einen Burger verspeist, dessen Filetstück nur bei genauerem Hinsehen als menschliches Herz zu erkennen ist.

„In diesem Hamburger steckt ein Berliner“, witzelt die Tagline dazu, und ehrlich gesagt möchte ich diese 50 Klagen erst mal sehen: Ich habe das Gefühl, dass der ganze Bohei um die Klagen und den Wechsel des Postermotivs in Wirklichkeit auf dem Agenturenmist gewachsen ist, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Hat ja auch geklappt.

Angeblich hätten sich zudem auch VegetarierInnen über das Bild beschwert – das kann ich schon mal gar nicht glauben: Seit wann bezieht sich Vegetarismus, bei dem der Konsum von getöteten Tieren abgelehnt wird, denn auf das Verspeisen von Menschen?

Nicht mal Sheila selbst isst Tierfleisch: Als ihr Mann ihr ein paar eingeschweißte Hähnchenkeulen aus dem Supermarkt präsentiert, muss sie würgen. Darum ja der ganze Hickhack mit der neuen Kühltruhe und der nächtlichen Tötungstour. Von einer Süßigkeitenfirma gibt es übrigens seit einer Weile ein Set mit Currywurst und Pommes aus ekeligem Marzipan. Das macht mir persönlich viel mehr Angst.

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