: 33 Millionen Dollar aus dem Graswurzelnetz
■ Erstmals demonstrierten in Washington mehr als hunderttausend Menschen gegen die Außenpolitik der Reagan–Administration Erfolgreiche Sammlung kirchlicher Gruppen für Nicaragua / Gewerkschafter kritisieren „Mißbrauch“ der Leitung der Arbeiterbewegung
Aus Washington Stefan Schaaf
Zum erstenmal, seit die Politik in Washington vom Iran/Contra– Skandal beherrscht wird, kam in der US–Bundeshauptstadt am Samstag eine große Demonstration gegen die Zentralamerika– sowie die Südafrika–Politik der Reagan–Administration zustande. Viele der etwa hunderttausend Demonstrant(inn)en waren aus Georgia, Kentucky oder Vermont angereist und hatten die ganze Nacht in Bussen verbracht. Vor dem Weißen Haus sorgten auf mehreren Bühnen Sprecher und Musiker für Unterhaltung, bevor der Marsch sich am Mittag zum Kapitol in Bewegung setzte, wo eine umfangreiche Rede–Reihe (u.a. Jesse Jackson und Daniel Ellsberg) folgte. Die Demonstration vom Wochenende zeigte die ganze Breite, der US–Solidaritätsbewegung mit Zentralamerika: Kirchen und politische Solidaritätsgruppen wie das „Komitee in Solidarität mit dem Volk von El Salvador) (CISPES“ bilden ihr Rückgrat, aber vom Punk bis zum 80jährigen war alles vertreten. Auffallend war außerdem die Präsenz gewerk schaftlicher Basisgruppen, die - trotz der negativen Äußerungen von AFL–CIO–Präsident Lane Kirkland - nach Washington gekommen waren. Ein Bündnis vor allem kirchlicher Gruppen hat sich das Ziel gesetzt, die 100 Millionen Dollar, die die Reagan–Administration an die Contra übergeben hat, durch Spenden in gleicher Höhe auszugleichen. Dazu Louis Hughes von der Nicaragua–Solidaritätsaktion „Quest for Peace“: „Seit Juli 1986 haben wir Güter im Wert von 33 Millionen Dollar gesammelt. Etwa 40 Laster aus 21 verschiede nen US–Bundesstaaten, sind bislang eingetroffen. Es ist ein weitverzweigtes Graswurzelnetz, über das Leute Spenden gesammelt haben.“ All dies wird heute nachmittag zum Robert F. Kennedy–Stadion in Washington gebracht, dort in Lastencontainer verpackt und nach Nicaragua geflogen. Ein Ende der US–Einmischung, der Manöver und der Contra–Unterstützung waren die Forderungen, die am häufigsten auf den Transparenten zu sehen waren. Der Vorsitzende der Schauspielergewerkschaft „Screen Actors Guild“, Ed Asner, hielt kurz vor Schluß eine bemerkenswerte Rede, in der er mit seinem Gewerkschaftsdachverband AFL– CIO hart ins Gericht ging, der die Zentralamerika–Politik Reagans zum Teil unterstützt und dort am Aufbau pro–amerikanischer Gewerkschaften mitgearbeitet hatte. Asner nannte diese Bemühungen „dubios und subversiv im eigentlichen Sinne“ und einen Mißbrauch der Leitung der Arbeiterbewegung, genauso wie die Reagan–Administration mit der Loyalität der US–Bürger Mißbrauch treibe.
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