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■ 32 Skelette heizen die Magdeburger Gerüchteküche anPuzzle für Pathologen

Magdeburg (taz) – Ein grausiger Fund beschäftigt seit einer Woche nicht nur die Öffentlichkeit in Magdeburg. Foto- und Kamerateams aus ganz Deutschland waren angereist, um Spezialisten der Spurensicherung beim Ausgraben immer weiterer Leichenteile abzulichten. Insgesamt 32 Skelette brachten die Grabungen auf einem Grundstück in der Klausener Straße im Magdeburger Stadtteil Sudenburg zutage, nachdem Anfang der letzten Woche Bauarbeiter bei Ausschachtarbeiten die ersten Knochen fanden.

Für die Pathologen in der Medizinischen Akademie Magdeburg beginnt jetzt eine kniffelige Arbeit. Zwei bis sechs Monate werde es dauern, so Polizeisprecher Burkhard Jach, bis die Skelette nach Alter, Geschlecht, Todesursache und Liegezeit analysiert sind. Nach einer ersten oberflächlichen Untersuchung hieß es, daß die Knochen seit 30 bis 50 Jahren in dem Massengrab vor sich hin modern, die Leichen also etwa zwischen 1944 und 1964 dort nackt in einem Massengrab verscharrt wurden.

Das Grundstück, auf dem das Massengrab gefunden wurde, hat offenbar eine bewegte Geschichte, die jetzt auch noch gern und oft durch wilde Gerüchte ausgeschmückt wird. Eine Dienststelle der Gestapo sei zu Kriegszeiten auf dem Gelände gewesen, und gleich nach dem Kriegsende seien die Russen in die Villa eingezogen, heißt es. Eine ehemalige Nachbarin will sogar von einem Militärgefängnis wissen, das sich einst dort befand. Nächtens habe sie Schreie und Schüsse gehört, versichert sie dem gespannten Journalistentroß. Und niemals habe sie gesehen, daß Gefangene, die in das Haus gebracht wurden, wieder herauskamen. Als sie einem Rundfunk-Kollegen das wenig später noch einmal ins Mikrophon sagen soll, traut sie sich nicht mehr so recht. Die Polizei habe ihr untersagt, diese Angaben weiter zu verbreiten.

Aber die Aussagen der Frau werden von den Spurensicherern durchaus ernst genommen. Aus einer angrenzenden Mauer pulen sie Metallreste. Noch vor deren Untersuchung spukt schon wieder das Gerücht von standrechtlichen Erschießungen am 17. Juni durch die neugierige Menschenmenge. Die Sowjets sollen damals eigene Soldaten hier standrechtlich erschossen haben, die sich geweigert haben, auf deutsche Aufständische zu schießen. Doch die Metallsplitter stellen sich dann als Überreste eines Bomberangriffs heraus.

Ein Frauenarzt soll bis in die 50er Jahre in der Villa auf dem Grundstück gewohnt haben, und auch die Gerüchte um die letzte Ruhestätte Adolf Hitlers und seiner Gespielin Eva Braun tauchen wieder auf, die vor einiger Zeit ein Fernsehteam und einen Boulevardreporter dazu verleiteten, den Vorgarten eines Nachbargrundstücks komplett umzupflügen. Hitlers Gebeine fanden sie zwar nicht, die Suche soll aber eine hübsche Stange Geld für die Wiederherstellung des Gartens gekostet haben.

Am Freitag nachmittag packten die Spezialisten der Spurensicherung ihre Geräte zusammen, nachdem sie den Boden auf der Baustelle Schaufel für Schaufel durchgesiebt hatten. „Wenn bei den Bauarbeiten, die jetzt weitergehen, doch noch etwas gefunden wird, fangen wir natürlich wieder an zu suchen“, sagt Rainer Huckert von der Polizeidirektion Magdeburg. Anfangen dürfen jetzt die Pathologen. Auf die wartet ein makabres Puzzlespiel, mit denen sie zunächst die gefundenen Knochen den einzelnen Leichen zuordnen müssen. Bis das Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung über die Herkunft, über die Liegezeit der Leichen und über die Todesursache zweifelsfrei feststeht, wird die Magdeburger Gerüchteküche am Kochen gehalten. Eberhard Löblich

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