: 30.000 neue Jobs durch weniger Arbeit
■ FU-Professor und Grüne legen erstmals umfassende Studie zur verkürzten Arbeitszeit im öffentlichen Dienst vor
Mehr Arbeit durch weniger arbeiten: Bis zu 30.000 Jobs ließen sich allein in Berlin durch eine verkürzte Arbeitszeit bei Staat, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden schaffen. Der FU-Politikwissenschaftler Peter Grottian hat im Auftrag der Bündnisgrünen ein entsprechendes Arbeitszeitmodell erstmals konkret durchgerechnet. Danach brächte ein fünf- bis zehnprozentiger Gehaltsabschlag bei den über 300.000 Beschäftigten im öffentlichen und halböffentlichen Sektor Einsparungen von Personalmitteln in einer Höhe von rund 1,2 Milliarden Mark. Die Beschäftigten gewännen dabei erheblich an „Zeitwohlstand“, meinte Grottian. Zusammen mit den Grünen forderte er den Senat auf, endlich die Arbeitszeit zu verkürzen: „Es muß eine ganz andere Logik am Arbeitsmarkt her.“
Sein Modell sieht drei Stufen vor: die oberen Gehaltsgruppen verzichten auf ein Zehntel ihres Einkommens und ernten „Zeitwohlstand“; 5 Prozent Abschlag trifft die mittleren Einkommensgruppen (unter 65.000 Mark brutto); das Gehalt der Schlechtverdienenden steigt mit den Preisen. Die Bündnisgrünen wollen das Modell angesichts der Etatlöcher zu einem Stellenabbau nutzen, ohne Arbeitsplätze zu vernichten. Die ÖTV nannte dies hingegen bereits illusorisch.
Die BerlinerInnen stehen einer Arbeitsumverteilung mehrheitlich aufgeschlossen gegenüber, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Forsa. Grottian hatte parallel zu seiner Arbeitszeitrechnung die Umfrage in Auftrag gegeben. 57 Prozent der BerlinerInnen (und der BundesbürgerInnen) befürworten demnach die Strategie, Arbeit mit Zeitmodellen umzuverteilen. Selbst die Befragten aus dem öffentlichen Dienst zogen die neue Form der Arbeitsteilung üblichen Tarifergebnissen vor. Die Alternativen – eine Nullrunde im öffentlichen Dienst oder eine mehrprozentige Gehaltserhöhung – fanden deutlich weniger Beifall bei den Interviewten. Forsa hatte 504 BerlinerInnen und 1.004 BundesbürgerInnen in repräsentativen Stichproben telefonisch befragt.
Die Bündnisgrünen wollen nun eine Initiative im Parlament für das Grottiansche Zeitmodell ergreifen. Es dürfe nicht sein, sagte die Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz, daß jahrelang Kongresse über Arbeitszeitverkürzung veranstaltet würden, „ohne daß das dann in Berlin selbst angewendet wird“. Ihre Partei werde Druck auf Innensenator Schönbohm (CDU) ausüben, damit das Land als Arbeitgeber endlich mit einem konkreten Arbeitszeitvorschlag auf die Gewerkschaften zugehe. Mit der Gewerkschaft ÖTV hatte der grüne Fraktionsvorstand entsprechende Gespräche erst am Mittwoch geführt. Weitreichende Teilzeitmodelle bietet bislang nur Arbeitssenatorin Bergmann (SPD) in ihrer Senatsverwaltung an.
Die bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende übte gleichzeitig heftige Kritik an der Personalpolitik des Landes. Die Ausgaben für Arbeiter und Angestellte seien in den Jahren 1992 bis 1996 gleichgeblieben. Für Regierungsmitglieder seien die Aufwendungen aber um 23 Prozent, die für die Beamten der Stadt sogar um 77 Prozent angewachsen.
„Man hat die Treppe also von unten gekehrt“, sagte Sibyll Klotz in Anspielung auf den Berliner ÖTV-Vorsitzenden Kurt Lange. Lange hatte zum Thema Arbeitszeitverkürzung gesagt, die Treppe müsse „von oben“ gekehrt werden, sprich: nur Besserverdienende könnten Gehalt und Arbeit teilen. Christian Füller
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