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■ Die katholische Kirche steigt aus dem Abtreibungskompromiß aus27 Männer und ein Befehl

Endlich ist es soweit. Die deutschen Bischöfe packen ihre Sachen. Kein Beratungsschein mehr unter katholischen Dächern, keine Debatten mehr mit lästigen Frauen, statt dessen Friedhofsruhe in den heiligen Hallen. Noch ein Weilchen werden die hohen Herren herumpalavern, dann wollen sie sich aus der Verantwortung in Sachen Abtreibung zurückziehen. „Das Antlitz ungeborener Kinder sieht uns fragend, mahnend, anklagend und ermutigend an“, hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz gestern zur Begründung gesagt.

Wir verstehen, wie dem Oberhirten Karl Lehmann zumute ist. Uns Frauen wird auch immer schlecht. Etwa wenn Kardinal Dyba den Beratungsschein eine „Lizenz zum Töten“ nennt. Wenn sein Kollege aus Bayern den Mißbrauch und die Ermordung der siebenjährigen Natalie Astner mit Abtreibungen gleichsetzt. Wenn er öffentliches „Entsetzen“ anmahnt „angesichts der Tatsache, daß Abertausende von kleinen Natalies bereits im Schoß der Mutter getötet werden“. Und jetzt reiht sich auch noch Bischof Lehmann in den unappetitlichen Reigen ein, sinniert über die „Würde des menschlichen Lebens“, „sexuellen Mißbrauch“ und die „Verrohung menschlicher Sitten“.

Was in diesem Land verroht, dürfte allerdings eher das Diskussionsklima sein. Mißbrauch und Vergewaltigung, Abtreibung und Mord, alles eine Soße? Man muß schon Lichtjahre entfernt sein von den Niederungen des bundesdeutschen Alltags, von leeren Haushaltskassen, säumigen Vätern und Bettelgängen zum Sozialamt, um die Entscheidung für einen Abbruch zum Symbol des Werteverfalls zu erheben.

Frauen müssen entscheiden. Und sie müssen es dürfen. So steht es im Strafgesetzbuch, und das gilt auch für Katholiken. Vorläufig können Lebensschützer und Strenggläubige triumphieren: Selbst progressive Beraterinnen, die 1995 die Zwangsberatung noch vehement bekämpft haben, verteidigen die Kompromißregelung zum Paragraphen 218 inzwischen mit Zähnen und Klauen. Was sonst auch können sie den Frauen in ihren Praxen vermitteln als geltendes Recht? Das allerdings haben die 27 alten Männer und ihr greiser Vormund in Rom jetzt auf den Kopf gestellt. Die Kirche steigt aus dem Abtreibungskompromiß aus, mitmischen will sie weiter. Bischof Lehmann hat die „Politikerinnen und Politiker“ aufgefordert, in der Abtreibungsfrage „nach Wegen zu suchen“. Der Schlagabtausch geht in die nächste Runde, das Ziel kann nur eine Fristenlösung ohne Zwangsberatung sein. Dem Papst sei Dank. Constanze v. Bullion

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