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Archiv-Artikel

19. Jahrhundert, wir kommen!

betr.: „Sommergefasel für Jugendliche“ (Mangel an Lehrstellen), taz vom 30. 7. 03

Wie viel gibt der Staat zum Beispiel in Form von Universitäten (ohne Studiengebühren) pro Student/Akademiker aus, und wie viel im Vergleich pro Azubi (via Berufsschulen u. ä.)? Wenn die mir vorliegenden Zahlen stimmen (ca. 7.500 Euro vs. ca. 2.100 Euro pro Kopf und Jahr), finde ich es einen ziemlichen Witz, jetzt den Unternehmern den Schwarzen Peter für die Situation zuschieben zu wollen. Akademiker bildet der Staat für den Unternehmer faktisch kostenlos aus, Nichtakademiker soll die Industrie dagegen fast alleine tragen?

Dazu kommt, dass man es als geradezu selbstverständlich hinnimmt, dass der „gemeine Azubi“ gefälligst irgendeine Lehrstelle, und wenn es der größte Krampf sei, anzunehmen habe – und noch dankbar dafür zu sein hat. Für den Studenten dagegen herrscht ebenso selbstverständlich (mit den bekannten NC-Ausnahmen) Wahlfreiheit. Vielleicht würde die Situation anders aussehen, wenn man für beide Ausbildungszweige auch dieselben Maßstäbe ansetzen würde. CLEMENT KNÖLL, Stuttgart

Die Herren Hundt, Ohoven und Philipp, die wohldotiert die deutsche Wirtschaft repräsentieren, sind offenkundig schon so weichgespült, dass sie den von ihnen verbreiteten Irrsinn gar nicht mehr bemerken. Einsparungen zugunsten der notleidenden Wirtschaft? Natürlich. Und wo? Wir denken zuerst an die Witwen und Waisen. Und an die Lehrlingsvergütung.

Mindestens 60 Milliarden Euro nicht gezahlte Körperschaftssteuer hat die deutsche Wirtschaft in den letzten zweieinhalb Jahren einbehalten, Geld, das den Länderfinanzministern und Stadtkämmerern heute fehlt. Und das Ergebnis? Die oben genannten Spitzenkräfte werfen sich ungeniert in Sack und Asche und gehen weiterhin mit dem Klingelbeutel um. Zwangsabgabe für die Ausbildung? Der reinste Kommunismus! Verantwortung und Gemeinsinn? Wie schreibt man das eigentlich?

[…] Wie viele solcher (Geistes-) Fürze hält ein deutscher Führungssessel eigentlich aus? Um die Spitzengehälter der deutschen Wirtschaftsbosse weiterhin entlasten zu können, schlage ich, wenn schon, denn schon, die Wiedereinführung des so genannten „Lehrgeldes“ vor: Hundert Euro monatlich für die oben genannten (Lehr-)Herren, weil die ja drei Jahre lang die „Mühe“ hatten. Zu zahlen natürlich von den künftigen Lehrlingen. 19. Jahrhundert, wir kommen!

GEORG AFANASJEW, Reutlingen

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