: 148 Millionen Euro fehlen im Klingelbeutel
Das Bistum Berlin befindet sich in der dramatischsten Finanzkrise seiner Geschichte. Kardinal Sterzinsky steht unter massivem Druck. Er muss auf Hilfe aus Westdeutschland hoffen. Doch die Bischöfe sind nicht bedingungslos freigebig
Das katholische Bistum Berlin befindet sich in der dramatischsten Finanzkrise seiner Geschichte. Aus diesem Grund sind praktisch alle Bereiche des kirchlichen Lebens in der Hauptstadt von massiven Einsparungen bedroht. Laut Pressemitteilung des Erzbistums müssen in den nächsten Jahren mehrere hundert Stellen abgebaut werden.
Wie die vom Bistum konsultierte Beratungsfirma McKinsey herausfand, beträgt das aktuelle Haushaltsdefizit des Bistums rund 13 Millionen Euro. Jährliche Kreditzinsen in Millionenhöhe können nicht mehr bezahlt werden. Der aktuelle Schuldenstand liegt bereits bei 148 Millionen Euro. Ohne drastische Änderungen könnte er bis zum Jahr 2008 auf 250 Millionen Euro anwachsen. Das Bistum Berlin steckt in der Schuldenfalle.
Wie kam es zu der Finanzmisere? Seit der Wiedervereinigung investierte das Bistum Berlin intensiv in die Sanierung der Gemeinden im Ostteil der Stadt. Darüber hinaus wurde das bischöfliche Schul- und Bildungswesen ausgebaut, wurden Kitas und karitative Einrichtungen großzügig gefördert. Die allgemeine Berlin-Euphorie erfasste dabei auch die kirchlichen Verantwortlichen. Immobilien wurden häufig zu Höchstpreisen gekauft, und der durch die Zusammenführung der Kirchen aus beiden Teilen der Stadt enstandene Personalüberbestand wurde ohne Kürzungen übernommen.
Als Hauptverantwortlicher für die Krise steht Kardinal Sterzinsky unter massivem Druck, weigert sich aber zurückzutreten. Clemens Graf von Waldburg-Zeil, ein ehemaliger Finanzderzernent des Bistums, erklärte gegenüber dem Tagesspiegel, dass erst im Jahr 1995 ein transparentes Rechnungswesen eingeführt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Schuldenstand bereits 55 bis 60 Millionen Euro. Trotz deutlicher Hinweise auf die katastrophale Finanzsituation habe der Bischof „sich nicht getraut“, die notwendige Sanierung gegen den Widerstand der Gemeinden entschlossen durchzusetzen.
Sterzinsky ist nun auf die Hilfe der reicheren Westbistümer angewiesen. Doch diese knüpfen eine mögliche Finanzhilfe an weitreichende Bedingungen. Wie der Spiegel berichtet, forderten der Kölner Kardinal Joachim Meisner und sein Münsteraner Kollege Reinhard Lettmann in einem gemeinsamen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz die Einrichtung eines „Treuhandausschusses“ für das Bistum Berlin. Dieser aus zwei Bischöfen, Generalvikaren und Finanzdirektoren bestehende Ausschuss soll die Berliner Kirchenkasse überwachen, was einer Teilentmachtung des Bischofs gleichkäme. Dem Kirchenrecht zufolge hat ein Bischof die alleinige Entscheidungshoheit über die Finanzplanung in seinem Bistum. Offenbar aber ist das Vertrauen vieler Bischöfe in die finanziellen Kompetenzen des Berliner Oberhirten nicht besonders groß.
Zudem ist bereits seit Jahren bekannt, dass das Bistum Berlin über seine Verhältnisse lebt. So gibt es in der Hauptstadt doppelt so viele Beschäftigte wie im etwa gleich großen Bistum Hamburg. Vielen von ihnen droht nun die Entlassung. Bis zur Bischofskonferenz am 10. März im bayerischen Freising muss Sterzinsky einen Sanierungsplan vorlegen. Von diesem wird es abhängen, ob die anderen Bistümer zu einem „Notopfer Berlin“ bereit sind. STEFAN WELLGRAF