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140 MarinetechnikerInnen in Wartestellung

■ Umrüsten (IV): „DMT Marinetechnik GmbH“ — mit militärischem Know-How ausgestatt, gegenwärtig „tote Hose“

Bitte den Panzer

Was waren das noch für Zeiten! Als der Betrieb in der Vegesacker Weserstraße noch das stolze Prädikat „Generalunternehmer“ trug und 1972 vom Verteidigungsministerium der Auftrag für die zehn Schnellboote hereinkam. Dann der Folgeauftrag für die zehn weiteren Schnellboote der Klasse 143 A. Und gleichzeitig waren für den Bremer „Vulkan“ sechs Fregatten mit Waffen-und Führungssystemen zu bestücken. Die Hochphase währte bis 1985. Dann kam der Knick. Kurzarbeit. Denn die erhofften Aufträge für die neuen Minensuchboote hatte die Konkurrenz weggeschnappt. Ein paar kleinere Aufträge aus dem Verteidigungsministerium hielten die AEG-Crew in Vegesack notdürftig über Wasser: zwei weitere Fregatten, Fermeldetechnik für Marineschiffe... Gegenwärtig herrscht an etlichen Schreibtischen und Terminals „tote Hose“. Viele Techniker und Ingenieure sind derweil im Schwesterwerk in Hamburg im Aushilfs-Einsatz.

140 MitarbeiterInnen haben noch ihre Büros in dem schönen, langestreckten Backsteinbau in Vegesack. Auf dem Dach sind noch die Vorrichtungen zu erkennen, die bis vor wenigen Wochen die drei Großbuchstaben des Gründerkonzerns „AEG“ in der Höhe festhielten. Jetzt prangt rechts vom Eingangsportal der neue Name: „DTM Marinetechnik GmbH“.

Der langjährige Betriebsratsvorsitzende Klaus Grünberg über die Initiativlosigkeit der Belegschaft: „Unser Problem ist, daß wir immer nur als ausgelagerter Bereich gegolten haben. Wir haben nie selbst etwas produziert, sondern immer nur das, was andere Firmen gefertigt haben, zu einem phantastischen System zusammengebaut.“

Der Betrieb war 1972 vom AEG-Fachbereich „Hochfrequenztechnik“ als küstennaher „Ableger“ gegründet worden. Erste Aufgabe: den Bau der zehn Schnellboote „systemtechnisch“ zu koordinieren. Dafür zu sorgen, daß die zahlreichen Zulieferfirmen all die Schiffsmotoren und Radaranlagen, die Schiffselektrik und die Bordkommunikation etc. fachgerecht einbauten und die Schnellboote funktionsfähig der Bundesmarine übergeben werden konnten. Aus diesem Grund sind von den heute 140 Beschäftigten auch nur zwei Lohnempfänger und alle anderen Angestellte: Sekretärinnen, Verwaltungsleute, Techniker, Ingenieure.

1985, als der Auftragsknick einsetzte, hatte der Betriebsrat einen kurzen Versuch unternommen, die „Rüstungs-Konversion“ im Betrieb einzuleiten. Der Vorschlag, das militärtechnische „System-Know-how“ phantasievoll für zivile Projekte einzusetzen, sei, so Betriebsrat Klaus Grünberg, „auf wenig Gegenliebe“ gestoßen. In dem arbeitsteiligen AEG-Konzern habe man kaum Chancen gesehen, sich auf neue Gebiete zu wagen, da diese an anderen Standorten bereits abgedeckt gewesen seien.

Heute gehört der Betrieb in Vegesack nicht mehr zur AEG, sondern ist Teil der „DMT Marinetechnik“ (Hauptsitz in Hamburg mit insgesamt 1.600 Beschäftigten). Diese „DMT Marinetechnik“ war bei bei Fusion zwischen Daimler/AEG und dem Luft-und Raumfahrtkonzern MBB ausgegliedert und zum Verkauf geboten worden. Gemeinsam mit dem Bremer Rüstungsunternehmen „Marine-und Sondertechnik GmbH“ ist die DMT inzwischen Teil der Holding „Systemtechnik Nord“.

Und von der Spitze dieser Holding erwartet sich Betriebsrat Klaus Grünberg auch die Initiativen für die Zukunft. Grünberg: „Das Problem ist, einen Menschen, der zwanzig Jahre militärtechnisch gedacht hat, dazu zu bringen, umzudenken. Wenn dieses Umdenken nicht von oben kommt, kommt es nicht. Da müssen Leute freigestellt werden für 'freie Forschung und Entwicklung'.“ Vertraglich hatten Betriebsräte mit ihrer Geschäftsführung vereinbart, in einem gemeinsamen Ausschuß über „zivile Wachstumsfelder“ zu beraten. Grünberg: „Unser Geschäftsführer Gerster weigert sich, das umzusetzen.“ Am kommenden Freitag ist Betriebsversammlung.

Barbara Debus

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